April 19, 2024

Kurzbiographie von Friedrich Wilhelm, der „Grosse Kufuerst“


Fuer eine Untersuchung des Lebens Friedrichs I. ist es unerlaesslich, seinen Vater zu betrachten, den „Grossen Kurfuersten“. Inwiefern beeinflusste seine Politik die seines Sohnes, wo gab es Kontinuitaeten und wo wichen sie voneinander ab. Desweiteren war das Erbe des Grossen Kurfuersten auch die geschichtliche Situation, in welcher Friedrich I. bestehen musste.

Eines vorweg: der Grosse Kurfuerst gehoert zu den am meisten ueberschaetzten Persoenlichkeiten der preussischen Geschichte. Seine Politik war durchtrieben, teilweise nahezu verraeterisch (was allerdings durchaus im Sinne der Zeit war) und zeitigte nur maessige Erfolge. Er befand sich in einer Zeit, die grossflaechige Gebietsgewinne kaum ermoeglichte. So ist es dann auch kaum verwunderlich, das der Grosse Kurfuerst nicht mehr gewann, als sein Sohn. Dennoch wurde er lange Zeit bewundert und verehrt, waehrend sein Sohn nur Spott erntete, was vielleicht auch am Urteil des Urenkels, Friedrich II., lag, der behauptete „Jener“ (Friedrich Wilhelm) „habe grosses vollbracht“.

Friedrich Wilhelm wurde am 16.2.1620 in Berlin geboren und uebernahm die Kurfuerstenwuerde gegen Ende des 30 jaehrigen Krieges 1640. Seine Ausgangslage war nicht unbedingt rosig: das Land war total verwuestet durch die verschiedenen Soeldnerheere, die dauernd durch es hindurchgezogen waren. Die wirtschaft war am Boden, die meisten Aecker waren unbestellt. Die Bevoelkerungsverluste betrugen um die 50%, teilweise sogar mehr, was verdeutlicht, dass Brandenburg-Preussen Hauptkriegsgebiet war. Neben diesen Problemen war sogar das eigene Heer eine verraeterische Soeldnertruppen, ueber die Grenzen hinweg beruechtigt, welche das eigene Land auspluenderte (eine allgemein uebliche Praxis im 30 jaehrigen Krieg). Friedrich Wilhelm musste mit einem kompletten Neuaufbau des Heeres beginnen.

1641 schloss er einen Frieden mit den Schweden, um Zeit und Luft fuer den Wiederaufbau seines Landes zu erhalten. Er schloss diesen Frieden entgegen des Beitritts seines Vaters zum Prager Frieden 1635, dennoch bennoetigte er die Atempause unbedingt. Brandenburg-Preussen blieb jedoch weiterhin Kriegsgebiet. 1647 war der Grosse Kurfuerst jedoch schon wieder zu offensiven Unternehmen faehig, zweifellos eine grosse organisatorische Leistung, da er beinahe auf dem Nullpunkt begonnen hatte. Er marschierte in das Herzogtum Berg ein, um welches er sich mit dem Hause Pfalz-Neuenburg stritt. Der Zeitpunkt war jedoch nicht gut gewaehlt, denn die benachbarten Reichsfuersten reagierten mit Misstrauen und Drohungen, weshalb sich die preussischen Truppen auf Druck des Kaisers Ferdinand III. zurueckziehen mussten.

Im Westfaelischen Frieden von 1648 konnte Brandenburg-Preussen kaum Gebietsansprueche durchsetzen. Nur dank der Unterstuetzung Frankreichs konnte der Grosse Kurfuerst Hinterpommern, Minden und die Anwartschaft auf Magdeburg erreichen. Das durch Erbschaft an ihn gefallene Vorpommern (inklusive der wirtschaftlich wichtigen Odermuendung) musste er an die Schweden abtreten. Dies war ein dauernder Konfliktherd in den unruihgen Nachkriegszeiten und mehr als einmal gerieten Schweden und Brandenburg aneinander. Die Politik Friedrich Wilhelms musste darauf ausgerichtet sein, die Integritaet seines eigenen Staatsgebietes zu erhalten und wenn moeglich Gebietszuwaechse erreichen zu koennen, was ganz der Position seines Sohnes entspricht. Hierzu war ihm, wie wir sehen werden, beinahe jedes Mittel recht (im Sinne der damaligen Zeit allerdings durchaus akzeptabel), ihm fehlte jedoch politischer Weitblick und die entsprechende Sensibilitaet.

1651 versuchte er in einem erneuten Handstreich wiederum in den Besitz von Juelich-Berg zu kommen. Das Unternehmen gegen Pfalz-Neuenburg endete in einem militaerischen Desaster und brachte ihm den Ruf als Freidensbrecher ein. Groesseren Schaden verhinderte das Eingreifen des Kaisers, der Friedrich-Wilhelm bei der Loesung seiner Probleme mit den Schweden unterstuetzte. Allerdings tat er dies nicht aus Liebe zu einem seiner unzuverlaessigsten Reichsfuersten, sondern weil er dessen Kurstimme bei der Wahl des Kaisersohnes Ferdinand zum roemischen Koenig benoetigte. Dieser wurde dann auch Koenig (1653), was er allerdings nicht lange geniessen konnte, denn er verstarb schon 1654.

Ein Jahr darauf brach der erste Nordische Krieg aus. Der 1635 vereinbarte 20 jaehrige Waffenstillstand zwischen Schweden und Polen lief aus. Schon 1654 hatte in Schweden Karl X. Gustav den Thron bestiegen, woraufhin Polen protestierte, da man einen eigenen Favoriten auf den schwedischen Thron hatte sehen wollen. Von Livland und Vorpommern marschierte Karl in Polen ein, welches er voellig ueberrannte. Polen forderte die Gefolgschaft ihres Lehnsmannes Friedrich-Wilhelm von Brandenburg-Preussen, als der er de jure galt. Da sich dieser jedoch von schwedischen Truppen umzingelt sah und sich generell nicht gerne auf die Verliererseite stellte, brach er kurzerhand seinen Lehenseid und schloss einen Frieden mit Schweden (16.1.1656, Vertrag von Koenigsburg), spaeter bestaetigt durch den Vertrag von Marienburg (23.6.1656). Ostpreussen wurde von da an durch den schwedischen Koenig an Brandenburg belehent, nicht durch Polen.

Vom 28.-30.7. besiegten schwedisch-brandenburgische Truppen die Polen bei der Schlacht von Wahrschau. Ueber den Erfolg konnte man sich jedoch nicht lange freuen, da die schweden sich rasch zurueckziehen mussten. Daenemark und Russland bereiteten ein Eingreifen vor, so dass sich auch der Kurfuerst nach Ostpreussen zurueckzog. Am 20.11.1656 erreichte er jedoch noch die Anerkennung seiner vollstaendigen Souveraenitaet in Preussen durch die Schweden, einer seiner groessten politischen Erfolge. Mit den Russen erreichte er einen Nicht-Angriffspakt.

1657 wendete sich das Blatt fuer Brandenburg-Preussen. Polen hatte das Haus Habsburg als Verbuendeten gewonnen und griff nun gemeinsam mit diesem und im Verbund mit den Daenen Karl X. an, der sich rasch nach Holstein absetzte. Erneut von feindlichen Truppen umgeben schloss der wenig waehlerische Freidrich-Wilhelm am 19.9. einen Seperatfrieden mit Polen in Wehlau, in welchem auch die Polen Brandenburgs Souveraenitaet in Preussen anerkannten.

Den Daenen war im Krieg gegen Schweden jedoch wenig Glueck beschieden. Karl X. eroberte Fuenen und Seeland und belagerte Kopenhagen. 1658 zwang man die Daenen zum Frieden von Roskilde in welchem die Daenen auf Suedschweden verzichteten. Die Schweden griffen Daenemark erneut an, weswegen die verbuendeten Habsburger und Polen gegen Schweden marschierten. An ihrer Seite befand sich der Grosse Kurfuerst, der ein Buendnis mit den Habsburgern geschlossen hatte, offenbar weil ihm die Schweden langsam unheimlich wurden. Man fiel in Vorpommern, Holstein, Schleswig und Juetland ein und besetzte Alsen und Fuenen, wobei sich Friedrich-Wilhelm als ausgezeichneter General erwies.

Am 24.11.1659 unterlagen die Schweden den Verbuendeten bei Nyborg, Karl der X. verstarb bald darauf (16.2.1660), der Weg fuer den Frieden war bereitet. Der Vertrag vom 3.5.1660, ausgehandelt in Olivia, war dennoch vorteilhaft fuer Schweden, welches Suedschweden, Eroberungen im Baltikum und Pommern behalten konnte. Frankreich wurde auf den Plan gerufen und es verhinderte als Signatarmacht (Garantiemacht) des Westfaelischen Friedens den Verbleib des besetzten Vorpommerns bei Brandenburg. Friedrich-Wilhelm, der nur als Auxilliar galt, musste sich zurueckziehen.

1660 gab es einen Erbvergleich mit Pfalz-Neuenburg, in welchem der Status-Quo beibehalten wurde. Der schwelende Konflikt war somit vorerst beruihgt. Ueberhaupt war die Politik Friedrich Wilhelms in den 60er Jahren des Jahrhunderts eher Friedensorientiert, da er sein Land konsolidieren wollte. Truppen stellte jedoch dem Kaiser gegen die Tuerken, welcher ihn dafuer mit viel Geld entlohnte. In einigen anderen Konflikten mit eher regionalen Charakter verhinderte das Auftreten Brandenburgs militaerischen Auseinandersetzungen.

Auch aus dem Devolutionskrieg 1667/68 (ein Vorlaeufer des Spanischen Erbfolgekrieges) hielt der Grosse Kurfuerst sich heraus. Ludwig XIV. war im Zuge seines Hegemonialstrebens in die spanischen Niederlande eingefallen. Er machte, wie er es in Zukunft immer wieder machen wuerde, irgendwelche obskuren Erbschaftsansprueche gelten. Obwohl Brandenburg schon aus religioesen Gruenden eher auf Seiten der angegriffenen stand, griff es nicht ein. Eine Trippelallianz aus England, Schweden und den Niederlanden zwang Ludwig XIV. zum Frieden.

Am 6.5.1672 schloss Brandenburg-Preussen ein Buendnis mit den Niederlanden, ein wohlueberlegter Zeitpunkt, denn schon im Juni 1672 fiel Ludwig erneut, diesaml mit voller Macht, in die Niederlande ein, welche sich in ihrer Not nur mit der Durchstechung ihrer Deiche und Ueberflutung ihres Landes zu helfen wussten. Auch das Brandnburgische Kleve wurde durch die Franzosen besetzt. 20.000 Mann preussische Truppen eilten in Richtung Niederlande, waehrend der Kaiser, der als Katholik naturgemaess eine Abneigung gegen die protestantischen Niederlaender hegte, nur halbherzig gegen die Franzosen Krieg fuehrte. Dies brachte Friedrich Wilhelm am 6.6.1673 in Vossen einen Seperatfrieden mit den Franzosen zu unterzeichnen, die sich dafuer aus Kleve zurueckzogen und Subsidien zahlten. Als Ludwig ein Jahr darauf die Pfalz verwuestete kam Friedrich Wilhelm seinem Reichfuersteneid jedoch nach und zog erneut gegen ihn in Feld.

Dies rief wiederum die Schweden auf den Plan, welche Ende 1674 in Brandenburg einfielen und es verwuesteten. Friedrich Wilhelm eilte sogleich zurueck in die Heimat und besiegte 18.6.1675 die Schweden bei Fehrberlin. Dieser Erfolg bildete die Grundlage des Nimbus um die Figur des „Grossen Kurfuersten“. Er hatte er die schwedische Armee, die als eine der besten in ganz Europa galt, im Alleingang besiegt, noch dazu war diese der Zahl nach ueberlegen gewesen. Dennoch, der Erfolg war im Ergebnis begrenzt. Nebenbei muss erwaehnt werden, das auf beiden Seiten kaum 10.000 Mann kaempften, fuer damalige Verhaeltnisse also ein eher unbedeutendes Scharmuetzel, nur aufgebauscht durch die heroisierende preussische Geschichtsschreibung.

Wie auch immer, der Grosse Kurfuerst fuehrte weiterhin erfolgreich Krieg gegen die Schweden und besetzte bis 1678 sogar Vorpommern. Im Westen hatte sich jedoch Ludwig durchsetzen koennen und schloss Frieden mit Holland, in Nymwegen mit dem Reich und schliesslich am 29.6.1679 mit Brandeburg-Preussen in Saint-Germain-Laye, in welchem es die Eroberung wiederum an Schweden zurueckgeben musste. Friedrich Wilhelm fuehlte sich allerdings nicht von den Franzosen, sondern vom Kaiser betrogen, weshlan er noch im Oktober des selben Jahres einen Geheimbund mit den Franzosen schloss, 1681 folgte ein Defensivbuendnis.

Die franzoesische Politik blieb jedoch weiterhin aggressiv, weshalb sich Friedrich Wilhelm bald wieder von Ludwig XIV. abwendete. 1685 schloss er ein Defensivbuendnis mit Holland. Die Aufhebung des Ediktes von Nantes (23.10.1685) beantwortete er mit dem Edikt von Potsdamm. Ueber 20.000 fliehenden Hugenotten erlaubte er die Einreise nach Brandenburg, eine weitere seiner Leistungen, denn die fleissigen Fluechtlinge legten in der Zukunft den Grundstein zum Aufstieg Brandenburg-Preussens. Sie hoben die Bevoelkerungszahl, das Bruttoszialprodukt und staerkten das Land in jeder Beziehung, auch wenn er damit den offenen Bruch mit Frankreich provozierte. 1686 kam es zu einem Buendis mit Schweden gegen die Franzosen.

Dank seiner Unzuverlaessigkeit (das sogenannte „brandenburgische Wechselfieber“ war ein gefleugeltes Wort in ganz Europa) hatte Friedrich Wilhelm keinen sonderlich guten Ruf. Es gab kaum einen Nachbarstaat gegenueber welchem er sein Wort nicht mindestens einmal gebrochen hatte. Die staendigen Konflikte, teilweise von ihm selbst ausgeloest, machten das erschoepfte Land erneut desoefteren zum Kriegsgebiet, was nicht gerade zu dessen Konsolidierung beitrug. Das Ueberseeische Projekt Friedrich Wilhelms (Erwerb einiger westafrikanischen Kolonien, Flottenbau) blieb in den Kinderschuhen stecken und wurde unter seinen Nachfolgern aufgegeben. Die Unglueckseeligkeit seiner Politik zeigt sich vielleicht daran, dass er das dreimal von den Schweden eroberte Vorpommern ebensooft an diese zurueckgeben musste.

Dennoch ueberstand Brandeburg-Preussen diese schwierige Zeit relativ unbeschadet. Der Wiederaufbau des Heeres und die Erlangung der Souveraenitaet in Preussen legten den Grundstein zur Erlangung der Koenigswuerde durch seinen Sohn und Nachfolger Friedrich, welcher nach dem Tod des Grossen Kurfuersten am 9.5.1688 in Potsdamm den Thron bestieg.

 


Christian Ilaender, Juli 1997.


Friedrich I.


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