Juli 27, 2024

Die letzten Monate. Die Ehrungen, die Reformen, die Pläne und seine Ermordung an den Iden des März.


Caesar hatte es bei seiner Rückkehr nach Rom nicht eilig; man erkennt wieder seine Scheu, die Hauptstadt zu betreten. Gemächlich reiste er mit seinem Anhang, zu dem neben Decimus Brutus, einer seiner späteren Mörder, auch Oktavian gehörte, der Enkel einer Schwester Caesars, den er unter seine Fittiche genommen hatte. Im Juli 45 residierte Caesar in Oberitalien und im Frühherbst hielt er sich immer noch außerhalb Roms auf seinem Landgut bei Labici (im Norden der Albaner Berge) auf, wo er am 13.9. ein Testament verfasste und Oktavian zu seinem Haupterben erklärte. Anfang Oktober betrat Caesar schließlich wieder römischen Boden.

Nach seinem vierzigtägigen Triumph über Gallien, Ägypten, Kleinasien und Afrika fand in Rom ein gewaltiger fünfzigtägiger Triumph über Spanien statt. Schon mit dem Eintreffen der Siegesnachricht von Munda am 20.4.45 in Rom war Caesar mit Ehrungen aus dem Senat überhäuft worden. Der 21.4. wurde zum allgemeinen Feiertag ernannt, Caesar durfte bei jedem öffentlichen Anlass das Triumphalgewand und einen Lorbeerkranz tragen. Sein Titel als Imperator wurde auf seinen legitimen Erben übertragbar und er erhielt das Recht, in den nächsten 10 Jahren das Konsulat zu bekleiden. Dazu wurde er zum Diktator auf Lebenszeit ernannt. Caesar erhielt den Ehrentitel pater patriae, sein Geburtstag wurde mit Staatsopfern begangen und sein Geburtsmonat wurde nach ihm benannt (s.u.). In allen Munizipien und Tempeln wurde sein Standbild aufgestellt, ebenso wie auf dem Kapitol in Gesellschaft der ehemaligen Könige von Rom. Zu all dem sollte Caesar auch einen Tempel und einen Kult erhalten. Zu einer Vergöttlichung zu Lebzeiten kam es allerdings nicht mehr.

Offenbar verkannte Caesar, dass all diese Ehrungen durch den unterwürfigen Senat auch ein erhebliches Hass- und Neidpotential aufbauten, denn die Gerüchte um die Tyrannis verstummten bis zu seinem Tod nicht. Dem Volk war die ungeheure Machtanhäufung auch nicht geheuer. Als anlässlich seiner Erfolge das Standbild einer Siegesgottheit und das Standbild Caesars durch die Stadt getragen wurden, blieben die üblichen Beifallsbekundungen aus.

Seine Rückkehr nach Rom begann im Oktober unter einem ungünstigen Stern: Als amtierender Konsul legte Caesar sein Amt nieder, um es an Freunde aufgeteilt zu verschenken. Die somit illegal eingesetzten Konsuln für drei Monate erlebten keine glückliche Amtszeit: Das Volk zischte die ungeliebten, aufoktroyierten Amtsinhaber bei öffentlichen Anlässen nieder. Am 31.12. kam es zum Eklat: Bei den Neuwahlen zu den kommenden Konsulaten erschien einer der von Caesar Eingesetzten nicht – er war in den frühen Morgenstunden verstorben. Caesar ernannte kurzerhand einen anderen Günstling zum Konsul, der bis zum 1.1.44 amtierte, also nur wenige Stunden. Cicero bemerkte dazu später höhnisch, der Konsul sei sehr fleißig gewesen, denn in seiner Amtszeit hätte er nicht einmal die Zeit zum Schlafen oder zum Frühstücken gehabt.

Eine weitere Maßnahme Caesars war die Aufstockung des Senats von 600 auf 900 Senatoren. Neben den durch den Bürgerkrieg freigewordenen Plätzen, die er neu besetzen konnte, vergab er auch die neu geschaffenen Sitze an Freunde, Weggefährten, Speichellecker und sonstige Anhänger. Darunter befanden sich auch viele ausländische Fürsten, die er zu belohnen suchte, was auf Roms Häuserwänden zu dem geistreichen Graffito führte, niemand solle sich erdreisten, einem Senator den Weg zur Curie zu weisen. Auch die Anzahl der Magistraturen stockte er auf, so die Anzahl der Quästoren von 20 auf 40 und die der Prätoren von 8 auf 16. Mit diesen Ämtern wurden ebenfalls viele seiner Unterstützer belohnt, doch auch das größer gewordene Reich ließ sich so leichter verwalten.

Caesar hatte allerdings auch noch andere Pläne: Er war sich der Probleme in Rom durchaus bewusst, wo eine heillose Überbevölkerung herrschte. Einigen hunderttausend Römern ließ er unentgeltliche Getreidezuweisungen zukommen und begann dann eine entlastende Kolonisationspolitik. Über 80.000 Menschen wurden nach Spanien, Afrika, Illyricum und in die Narbonensis umgesiedelt, die meisten davon Veteranen Caesars. Weitere Kolonisationen waren sicherlich geplant, wurden aber unter Caesar nicht mehr realisiert: Entweder verfolgte er das Vorhaben nur halbherzig oder die verbleibende Zeit reichte nicht mehr aus.

Schon Ende 46 hatte er eine Kalenderreform verabschiedet, die im Wesentlichen bis heute unseren Kalender bestimmt. Papst Gregor XIII. machte 1582 nach einer relativ geringfügigen Änderung daraus unseren heutigen Gregorianischen Kalender. Der römische Kalender zur Zeit der Republik basierte im Prinzip auf dem Mondjahr. Das einfache Jahr bestand aus 355 Tagen. Um die Abweichungen zum Sonnenjahr (365 Tage) zu korrigieren, schob man in jedem zweiten Jahr einen Schaltmonat (!) von abwechselnd 23 und 22 Tagen ein. Trotzdem entstand eine durchschnittliche Abweichung von einem Tag pro Jahr, die ab und zu durch einen veränderten Schaltmonat auszugleichen war. Jahresbeginn war seit 153 v. Chr. der erste Januar. Die Gestaltung des Kalenders lag fest in der Hand der pontifices, die ihre Kompetenzen durchaus auch im Interesse bestimmter Faktionen missbrauchten. So konnten sie z.B. die Stichtage steuern, wann Schulden zu tilgen bzw. Steuern oder Versorgungsbezüge zu zahlen waren. Es herrschte jedenfalls eine erhebliche Unordnung und Unsicherheit, auch bei den Festtagen, und die Abweichungen verursachten mittlerweile riesige Probleme. Caesar beauftragte im Jahre 46 eine Gruppe ägyptischer Astronomen unter Sosigenes, einen neuen Kalender zu entwickeln. So entstand der Julianische Kalender, der Elemente des ägyptischen Sonnenjahres, der griechischen Astronomie und der traditionellen römischen Zeitrechnung in sich vereinte und dessen Gültigkeit Caesar ab dem 1. Januar 45 anordnete. Um den Kalender aber mit bestimmten astronomischen Gegebenheiten zu synchronisieren, musste zuvor die aufgelaufene Zeitdifferenz ausgeglichen werden. Das Jahr 46 erhielt deshalb zwei zusätzliche Schaltmonate und war ausnahmsweise 445 Tage lang (annus confusionis). Der neue Kalender ging von einer Jahreslänge von 365,25 Tagen aus (Sosigenes wusste bereits, dass das Sonnenjahr geringfügig kürzer war, hielt die Differenz aber für unerheblich – erst bei der gregorianischen Kalenderreform 1582 sollte sie berücksichtigt werden). Drei von vier aufeinanderfolgenden Jahren waren jeweils 365 Tage lang, das vierte als Schaltjahr 366 Tage. Außerdem wurde Caesars Geburtsmonat Quintilis in Iulius umbenannt.

Kaiser Augustus musste allerdings noch einmal korrigierend eingreifen. Durch eine fehlerhafte Auslegung von Caesars Anordnung waren zu viele Schaltjahre angefallen. Augustus ließ drei Schaltjahre ausfallen und legte das Jahr 8 nach Chr. und jedes vierte darauf folgende Jahr als Schaltjahr fest. Außerdem verewigte auch er seinen Namen im Kalender: Er ließ den Monat Sextilis in Augustus umbenennen. Dieser Kalender wurde bald überall im römischen Reich gültig. Unsere Jahreszahlen wurden erst im 6. Jahrh. rückwirkend ermittelt (Diogenes Exiguus), und es ist ein glücklicher Zufall, dass alle Jahre mit durch vier teilbaren Jahreszahlen (im Gregorianischen Kalender nur noch fast alle) zu Schaltjahren wurden.

Auch auf dem staatsrechtlichen Sektor plante Caesar Reformen. Durch ein Gesetz reorganisierte er die Städte des Reiches, allerdings wurden seine Verfügungen erst am 3.6.44 (also nach seiner Ermordung) von den amtierenden Konsuln Antonius und Dolabella in Caesars Amtsnachlass gefunden und durchgeführt. Die Entwürfe Caesars (soweit sie tatsächlich auf ihn zurückgingen) verbesserten die Getreideversorgung, die Straßennutzung, die Stadtratsorganisation und den italischen Zensus. Caesar weigerte sich immer noch, einen radikalen Schuldenerlass durchzuführen, erlaubte aber Schuldennachlässe und die Beibehaltung der persönlichen dignitas eines Schuldners, auch wenn er Zahlungsunfähigkeit eingestehen musste. Was die reiche Oberschicht (und damit vor allem die Hauptgläubiger) ebenfalls entsetzte, war die Begrenzung der Proprätur in den Kolonien auf ein Jahr und die Prokonsularität auf zwei Jahre (anders als Caesar sollte kein Prokonsul mehr eine starke Militärmacht in der ihm angewiesenen Provinz aufbauen können).

Dennoch wurde er vom Senat mit weiteren Ehrungen überhäuft. Sein Amt als Pontifex Maximus wurde auf seinen Erben übertragbar, sein Stuhl, zwischen den amtierenden Konsuln in der Curie aufgestellt, wurde vergoldet, er erhielt das Erstspracherecht auf jeder Versammlung. Die Priesterschaft der Wolfsabwehrer, die Luperci, wurden um ein Kollegium erweitert, und zwar um das iulianische. Man bot ihm auch einen Leibwächtertrupp an, bestehend aus Senatoren und Rittern, den Caesar aber ablehnte. Entweder war er sich seiner akuten Bedrohung nicht bewusst oder er ignorierte sie.

Caesars Ideenreichtum, diese Ehrungen zu beantworten, waren noch immer nicht erschöpft. Rom war damals, verglichen mit den kulturellen Hochburgen der Antike wie Alexandria, Ephesos, Babylon oder dem mittlerweile zerstörten Karthago (dessen Wiederaufbau Caesar begann), eher ein Provinznest und sollte endlich mit repräsentativen Bauwerken ausgerüstet werden, die mit den Weltwundern konkurrieren könnten. Auf dem Marsfeld sollte ein gewaltiger Tempel, dem Mars geweiht, errichtet werden. Am Fuße des Tarpeischen Felsens plante er den Bau des größten Theaters der Welt. Der Tiber sollte umgeleitet, gewaltige Sumpfgebiete trockengelegt werden. Die Untiefen vor Ostia, dem Seehafen Roms, sollten beseitigt werden, ein Tiberkanal zur Verbindung des Tyrrhenischen Meeres mit der Adria war geplant (und wurde erst im 19. Jhr. verwirklicht). Alle diese Pläne konnte er nicht realisieren. Ob Caesar es geschafft hätte, das alles in die Tat umzusetzen, wenn ihm ein längeres Leben vergönnt gewesen wäre, bleibt offen. Vielleicht handelte es sich wirklich um Gigantomanie, vergleichbar mit Alexander, vielleicht hätte er aber dank seiner scheinbar unerschöpflichen Energie tatsächlich diese Pläne verwirklicht.

Caesar wäre nicht er selbst gewesen, hätte er nicht auch über eine neue Militäraktion nachgedacht. Das geplante Unternehmen wäre allerdings einer der gewaltigsten Feldzüge der Antike geworden. Caesar plante, mit 16 Legionen und 10.000 Reitern gegen die Parther zu ziehen, die seinen Mit-Triumvir Crassus auf dem Gewissen hatten und jetzt die römischen Besitzungen in Syrien hart bedrängten. Nach der Niederwerfung der mächtigen Parther wollte Caesar nach Norden ziehen, vorbei am Schwarzen Meer, bis nach Germanien, dieses erobern und über Gallien nach Rom zurückkehren. Angelegt war das Unternehmen, das Ende März 44 starten sollte, auf drei Jahre, und es bezeugt erneut Caesars Widerwillen, sich in Rom aufzuhalten. Für die dreijährige Abwesenheit erhielt Caesar per Gesetz die Erlaubnis, Magistrate für die Jahre 43-41 zu bestimmen. Die entsprechenden Posten wurden an Gefolgsleute verteilt.

In Rom spitzten sich im Winter 44 die Ereignisse immer mehr in Richtung des unvermeidlichen Höhepunktes zu. Caesars Anspruch auf königliche Gewalt schien für seine größten Gegner immer offensichtlicher. Am 15.2. gab es einen Vorfall während des Lupercalienfestes: Während der Feierlichkeiten krönte der mit einem Wolfsfell bedeckte Priester des Lupercalienkollegiums, Antonius, Caesar mit dem Königsdiadem – wie er verkündete – von der Hand des Volkes. Dieses war zahlreich anwesend und schien von seinem „eigenen“ Angebot wenig begeistert zu sein: Es gab keinen aufkommenden Jubel, sondern nur schweigenden Widerwillen. Caesar antwortete schlagfertig, Jupiter möge allein König unter den Römern sein. Nun bejubelte das Volk die Ablehnung Caesars. Wir wissen nicht, ob diese Szene abgesprochen war, um die Stimmung im Volke auszuloten. Die Stimmung hatte Caesar allerdings richtig eingeschätzt, indem er die dargebotene Königswürde ablehnte, doch für ihn war aufgeschoben sicherlich nicht aufgehoben. Schließlich brach der März an, den Caesar nicht überleben sollte.

Wie schon erwähnt, gärte es unter den konservativen Optimaten und Republik-Anhängern. Die unübertroffene Machtfülle Caesars erfüllte sie mit Misstrauen, Neid und Angst. Auch die Tyrannis eines Caesar wurde allgemein befürchtet. Den schien der Personenkult zu blenden, denn er ließ sich weiter zum Popanz aufbauen und nahm jede Ehrung geschmeichelt an. Bald hatte sich im Senat eine Fraktion gebildet, die zu einem Attentat auf den Diktator bereit war, unter ihnen der als ehrenvoll geachtete Marcus Iunius Brutus, dem Caesar einst nach der Schlacht von Pharsalos verziehen hatte. Mit von der Partie war ein weiterer Brutus (Decimus), C. Cassius Longinus, Trebonius (einer von Caesars hoch geachteten Unterfeldherren in Gallien), Lucius Calpurnius Piso (den Caesar früher einmal zum Konsul gemacht hatte und der noch dazu sein Schwiegervater war) – alles geachtete Optimaten oder Populare, Gegner und Freunde Caesars…die Opposition war mittlerweile im ganzen Senat entstanden, unabhängig von Faktionen und Fraktionen. Insgesamt gab es um die 60 Verschwörer.


Brutus, ein ehrenvoller Mann und Vertrauter Caesars, war einer seiner Mörder.
Am 14.3. speiste Caesar zu Abend bei seinem magister equitum. Im Laufe der Unterhaltung antwortete er auf die Frage, welchen Tod er bevorzugen würde: „Am liebsten plötzlich und unerwartet.“ Der Idus brach an (Idus ist die Bezeichnung des 13. oder 15. Tages eines Monats im römischen Kalender). Am Morgen befiel Caesar auf einmal Übelkeit und er war kurz davor, die anberaumte Senatssitzung abzusagen. Auch seine Frau Calpurnia hatte schlecht geschlafen und sogar von seiner bevorstehenden Ermordung geträumt. Einer der Verschwörer, Decimus Brutus, begab sich zu dem zögernden Diktator und überredete ihn, dennoch die Senatssitzung in der Curia des Pompeius nicht zu verschieben, um Stärke an den Tag zu legen. Einen Zettel mit einer Warnung vor dem Attentat begrub Caesar achtlos unter seinen Akten. Gegen 11 Uhr machten sich Caesar und D. Brutus auf den Weg.

Inzwischen hielt der Trebonius den amtierenden Konsul Antonius unter Vorwänden in einem Vorraum der Curia fest. Mittlerweile war Caesar eingetroffen. Unterwegs hatte er die Warnung eines Sehers, die ihm zugerufen wurde, achtlos in den Wind geschlagen. Sogleich wurde er von einigen der Verschwörer umringt. Ein gewisser Tillius Cimber brachte die Bitte um Begnadigung für seinen Bruder vor, was Caesar ihm rundweg abschlug. Daraufhin legte ihm Tillius die Hände an den Hals und riss seine Toga herab. Die Verschwörer stürzten sich auf den Diktator, und als erster stieß ihm Casca seinen unter dem Gewand verborgenen Dolch in den Nacken. In dem entstehenden Tumult drehte sich Caesar zu Casca um und herrschte ihn an: „Verdammt, was tust du?“. Nun zogen auch die anderen Verschwörer ihre Dolche. Alle fielen über den verhassten Diktator her, durchbohrten ihn mehrmals und zerfetzten seinen Leib. Auch Brutus, den Caesar wie einen Sohn geliebt hatte, stieß zu. Caesar leistete danach endlich keinen Widerstand mehr, sondern fragte nur noch verbittert: „Auch du, Brutus?“. Blutbesudelt brach Caesar vor der Statue des Pompeius zusammen und starb. Er hatte mindestens dreiundzwanzig Stichwunden empfangen.

Brutus trat vor die Senatoren und versuchte zu sprechen, doch die schockierten Männer flohen aus der Curie. Auch die Verschwörer wurden von der Panik ergriffen und flohen. Rom wurde durch Tumulte schwer erschüttert, und um die Nachfolge des Diktators sollten noch jahrelang blutige Kriege geführt werden.


Christian Ilaender, Januar 1997. Verbessert und korrigiert durch Peter Mühlan, Februar 2003.


Caesar


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