April 23, 2024

Wie aus Friedrich III. Friedrich der I. wurde.


Friedrich hatte es von Geburt an nicht leicht. Er wurde am 11.7. 1657 als Sohn des Grossen Kurfuersten Friedrich Wilhelms von Brandenburg-Preussen und Luise Henriettes von Oranien in Koenigsberg geboren. Allerdings war er durchaus nicht der Erstgeborene – dies war naemlich sein grosser Bruder Karl Emil. Daraus folgt, dass der junge und kraenkliche Friedrich eigentlich nicht zum Thronfolger auserwaehlt war.

Schon in seiner Kindheit hing der junge Friedrich lieber an den Rockschoessen seiner Mutter als an der Flinte des Vaters. Schwaechlich und oft kraenkelnd, wurde er liebevoll von seiner Mutter und Grossmutter umsorgt. Der aeltere Karl-Emil war wesentlich robuster und folgte dem Vater gerne auf seine abenteuerlichen Feldzuege.

Die liebevolle Pflege von Mutter und Grossmutter konnte einen schlimmen Unfall in der Jugend des zukuenftigen Koenigs nicht verhindern: Er stuerzte schwer, wobei er sich verkrueppelte. Fuer den Rest seines Lebens wuerde er einen Buckel haben. Dies war fuer spaetere Chronisten immer wieder Anlass, entweder gehaessig oder erlaeuternd von Friedrichs spaeterer Vorliebe fuer Pomp und Luxus zu erzaehlen. Sicherlich ist es moeglich, dass der Monarch sein koerperliches Gebrechen durch ausuferndenLebensstil zu kompensieren suchte, allerdings war Luxus durchaus unabdingbar fuer einen Monarchen seiner Zeit (spaeter mehr dazu).

Schon 1662 wurde Otto von Schwerin, ein vom Luthertum konvertierter Calvinist, zur Erziehung des Prinzen herangezogen (zu dieser Zeit war Otto v. Schwerin Minister und Praesident im Geheimen Rat, das Regierungsorgan auf welches sich die Monarchen stuetzten). Ein Jahr spaeter bat v. Schwerin Eberhard von Danckelmann ihn bei der Erziehung zu unterstuetzen. Dieser ersetzte den v. Schwerin zunehmend und baute zu seinem Schuetzling, trotz der harten Erziehung die er Friedrich angedeihen liess (desoefteren Grund zur Beschwerde der Mutter bei ihrem Ehegatten Friedrich-Wilhelm), ein enges Verhaeltnis zu diesem auf.

1666 wurde der Ritterorden de la G�n�rosit� unter Vorsitz des neunjaehrigen Friedrichs gegruendet. dies war damals durchaus ueblich, um die Wichtigkeit des Kindes zu betonen und ebenso, um disem schon frueh ein ihm verbundenes Klientel zu schaffen. Desweiteren wurde Friedrich in den bereits existierenden „Hosenband- und Elefantenorden“ aufgenommen und konnte noch im gleichen Jahr die Geburt seines Bruders Ludwig miterleben.

Im Jahre 1667 musste Friedrich einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen, denn seine Mutter, zu der er ein enges Verhaeltnis hatte, starb (ein weiterer Grund fuer seine feste Bindung an Eberhard von Danckelmann). Ein Jahr spaeter, am 4.7.1668, heiratete Kurfuerst Friedrich-Wilhelm erneut, naemlich Dorothea von Holstein-Gluecksburg. Die Beziehung Friedrichs zu seiner Stiefmutter war immer problematisch, wie wir noch sehen werden. Von Beginn an muss ihre Praesenz an der Seite des Grossen Kurfuersten bedrohlich gewesen sein, brachte sie doch mehrere Soehne aus erster Ehe mit in die Verbindung, welche sie auch, ohne rot zu werden, hemmungslos prot�gierte.

1674 musste die Familie den naechsten Schicksalsschlag hinnehmen: Der designierte Thronfolger Karl-Emil starb an der Ruhr. Damit rueckte Friedrich zum Kronprinzen auf – ein Ehre, auf die der sensibele Knabe vielleicht gerne verzichtet haette?

Friedrich seinerseits verknallte sich in den spaeten 70er Jahren des Jahrzehnts in seine Cousine Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel, die er auch zu heiraten gedachte. Der Grosse Kurfuerst allerdings hatte schon laengst andere Plaene mit seinem Sohn: Er sollte die Witwe Koenig Michaels von Polen heiraten, welche ihrerseits eine Schwester des Kaisers Leopolds war. Freidrich weigerte sich standhaft, womit er sich den vaeterlichen Zorn zuzog – zusaetzlich zur allegegenwaertigen Agitation gegen ihn durch seine Stiefmutter. Letzten Endes setzte sich der Thronfolger allerdings durch. was zum ersten mal zeigt, dass er durchaus standfest und dickkoepfig war; etwas was spaetere preussische Chronsiten ihm gerne absprechen. 1677 stimmte Friedrich-Wilhelm der eigenen Hofhaltung des Sohnes zu und 1678 schliesslich auch der Heirat, welche am 23.8.1679 vollzogen wurde.

Die Ehe wurde schnell durch Nachwuchs gesegnet: Am 19.9.1680 kam Tochter Luise Dorothea Sophie zur Welt. Dennoch war das Glueck nur von kurzer Dauer, denn Elisabeth Henriette starb am 7.7. 1683. Der trauernde Friedrich beschuldigte Stiefmutter Dorothea seine Frau vergiftet zu haben. Eine vom Vater eingesetzte Untersuchungskommission konnte jedoch nur die offizielle Todesursache bestaetigen: Friedrichs Frau war an den Pocken gestorben.

1684 heratete der Thronfolger erneut, diesmal durchaus im Sinne seines Vaters. Im Oktober 1684 ehelichte er Sophie Charlotte von Hannover, womit er eine Verbindung zum zweitmaechtigsten protestantischen Reichsfuersten schuf – gleichzeitig verbesserte sich die brandenburgisch-preussische Position den allgegenwaertigen Schweden (Garantiemacht des Westfaelichen Friedens) gegenueber. Im Hintergrund hatte Dorothea vergeblich vesucht die Heirat zu verieteln, da sie einen ihrer eigenen Soehne fuer die attraktive Ehe vorgesehen hatte. Ebenso hatte der franzoesische Koenig Ludwig XIV. (le roi du soleil) versucht die Verbindung der beiden protestantischen Haeuser zu verhindern, dan ihm diese Machtzusammenballung in Norddeutschland durchaus nicht recht war. Der Herzog von Hannover, Ernst August, war jedoch erfreut ueber die Ehe, da er hoffte, sie wuerde seine Bestrebungen zur eigenen Kurwuerde vorrantreiben. Die Beziehung war uebrigens zuerst von Liebe gepraegt, erkaltete aber spaeter, vor allem da Sophie Charlotte immer an den hannoveranischen Hof gebunden blieb und die Interessen des Fuerstentums auch gegenueber Brandenburg-Preussen vertrat. Allerdings blieb immer eine gegenseitige Achtung zwischen den Eheleuten bestehen und Friedrich weigerte sich nie, seine Frau finanziell oder anderweitig zu unterstuetzen.

1686 erkrankte Friedrich schwer und verdaechtigte Dorothea ihn vergiften zu wollen. Im selben Jahr starb auch noch der fuenf Monate alte Sohn Friedrichs und Sophie Charlottes, wobei der Thronfolger erneut die Stiefmutter verdaechtigte. Er und seine Frau verliessen verdaechtig schnell Berlin und zogen nach Hannover. Nachdem Sophie Charlotte auf dem Weg eine Totgeburt hatte, beorderte ihr Vater Ernst-August das Paar wieder zurueck nach Berlin, da er die zarten Beziehungen zu Brandenburg-Preussen nicht gefaehrden wollte. Im selben Jahr veroeffentlichte Friedrich-Wilhelm das sogenannte Revers (26.1.), welches eine Testamentsaenderung zugunsten seiner Stiefsoehne vorsah (die vornehmlich Laendereien und Titel erhalten sollen).

Am 17.4.1687 suchte der Tod die Familie erneut heim: Diesmal traf es Friedrichs juengeren Bruder Ludwig und wieder verdaechtigte der Kronprinz seine Stiefmutter. Auch er selbst erkrankte erneut und begab sich gemeinsam mit seiner Frau nach Karlsbad – in sicherer Entfernung zu seiner Stiefmutter. Bald darauf reiste das Paar nach Hannover. Sophie Charlotte wollte nicht mehr zurueck nach Berlin, aus Furcht vor ihren Schwiegereltern. Auch Friedrich drohte seinem Vater damit, nicht mehr nach Berlin zurueckzukehren. Damit war die Beziehung zu seinem Vater, die zu den besten Tagen hoechstens problematisch gewesen war, auf einen Tiefpunkt angelangt. Freidrich begab sich nach Unterstuetzung suchend zum Landgrafen von Hessen-Kassel, waehrend der wutschnaubende Friedrich-Wilhelm mit Enterbung drohte. Auf Vermittlung Danckelmanns kehrte Friedrich dann schliesslich doch an den Hof des sterbenden Vaters zurueck und das Vater-Sohn Verhaeltnis entspannte sich, Friedrichs Thronfolge wurde nicht in Frage gestellt.

Am 9.5.1688 verstarb der Grosse Kurfuerst Friedrich-Wilhelm, am Vorabend grosser Ereignisse, denn noch am selben Jahr brach ein grosser Krieg aus. Im Moment jedoch fechtete Friedrich, nun Kurfuerst Friedrich III. von Brandenburg-Preussen, das Revers an, denn er weigerte sich, die Abspaltung mehrerer Laendereien von seinem Fuerstentum zugunsten seiner Stiefbrueder anzuerkennen. Ein mittelalterliches Vertragswerk gab ihm de jure Recht, denn es regelte die Erbfolge zugunsten des Erstgeborenen des Hauses Hohenzollern und unterstrich die Unteilbarkeit des Landes. Die Verhandlungen zogen sich bis 1692 hin – in Potsdam verzichtete Phillip Wilhelm, der aelteste Sohn von Dorothea, schliesslich auf das ihm zugestandene Territorium im Gegenzug zu einer grosszuegigen Rentenzahlung.

Inzwischen bahnte sich ein Konflikt internationalen Ausmasses an: Ludwig XIV. meinte es waere mal wieder an der Zeit seine Hegemonieansprueche ueber Europa durchzusetzen. So machte er ueber die Gattin seines Bruders, Liselotte von Orl�ans – geborene von der Pfalz -, wohl kaum berechtigte Besitzansprueche auf die Rheingebiete geltend und provozierte somit eine internationale Koalition gegen Frankreich. Auch Brandenburg-Preussen stand an der Seite des Kaisers, da noch der Grosse Kurfuerst 1686 einen Geheimvertrag mit dem Kaiser abgeschlossen hatte. Dieser beinhaltete, dass gegen die Stellung eines 8.000 Mann starken brandenburgischen Kontingents und den Verzicht auf die schlesischen Besitztuemer Liegnitz, Brieg und Wohlau der Kreis Schwiebus (zwischen Neumark und Polen) an den Kurfuersten ging. Dummerweise hatte Friedrich, der ungeliebte Sohn, im Revers von Potsdam das Schwiebus gegen die Zahlung eines Handgeldes wieder an den Kaiser verschachert – glaubte sich der Kurprinz doch kurz vor der Absetzung. Spaeter weigerte sich Friedrich die Rechtsgueltigkeit der Abmachung anzuerkennen, schliesslich waere er jung und schlecht beraten gewesen. Alles Heulen und Strampeln nutzte nichts, 1695 musste Friedrich die Provinz zurueckgeben, nicht ohne allerdings den Kaiser vorher dazu bewegt zu haben, das Testament Friedrich Wilhelms zu annullieren.

Zurueck zu den aktuellen Ereignissen im Sommer/Winter 1688: Die Franzosen fielen sogleich mit der Tuer ins Haus und besetzten Kurkoeln und Phillipsburg. Daraufhin schlossen sich einige Reichsfuersten, die auf die Bedrohung entsprechend angenervt reagierten, zum Magdeburger Konzert zusammen, in welchem auch Freidrich III. eine Geige uebernahm. Mit Brandenburg spielten auch Sachsen, Hannover und Hessen-Kassel mit. Auch der Kaiser liess sich nicht lumpen und stieg mit der Kriegserklaerung auf dem Regensburger Reichstag in den „Pfaelzischen Erbfolgekrieg“ mit ein, obwohl er gleichzeitig einen Krieg gegen die Tuerken fuehrte. Die Franzosen, die wohl nicht mit einer derartig starken gegnerischen Koalition gerechnet hatten (international standen auch noch England, die Generalstaaten, Schweden und Savoyen gegen Ludwig XIV. Expansionsgelueste auf) gaben Fersengeld, wobei sie es allerdings nicht versaeumten, Rhein- und Moselgebiete zu verwuesten. Insbesondere Worms, Speyer, Mannheim und Heidelberg hatten unter den Zerstoerungen zu leiden und die Burg Eltz ist eine der wenigen Burgen in diesem Gebiet, die nicht in die Luft gejagt wurde.

Dennoch wurden die Franzosen bei Kaiserswerth und Bonn (24.6./10.10) geschlagen und vertrieben. Im Weiteren ermattete die Kriegsfuehrung jedoch, vor allem da in der Allianz Unstimmigkeiten herrschten. Im Rheinland kam es zu einem Stellungskrieg, das Schwergewicht der Kaempfe verschob sich in die Niederland, Italien und Katalonien. Friedrich III. stiess uebrigens erst am 23.3. 1691 zur internationalen Allianz, obwohl er schon vorher gegen Frankreich gekaempft hatte.

1689 ging wieder der Tod in Friedrichs Familien um; diesmal jedoch wohl kaum zu dessen Missvergnuegen, denn die verhasste Stiefmutter Dorothea fiel dem Sensemann zum Opfer. Friedrichs nie verhohlene Angst vor seiner Stiefmutter ist fuer Chronisten die ihn schlecht machen wollen ein gefundenes Fressen. Sie sehen in seiner Furcht eine Art Verfolgungswahn und einen Beweis seiner Schwaeche. Tatsaechlich wirkt Friedrichs Verhalten seiner Stiefmutter gegenueber teilweise skuril. Dennoch, die haeufigen Todesfaelle in der Familie stimmten ihn vorsichtig – sicherlich nicht unbedingt zu unrecht, denn bei Friedrichs Tod waeren die Soehne der extrem ehrgeizigen Dorothea in die Erbfolge gerueckt.

Fuer die Franzosen verlief der Krieg recht ungluecklich: 1692/93/94 fielen von ihnen besetzte Schluesselfestungen, unter anderem Namur. 1693/94 plagten Missernten das Land, welches durch die staendigen Kriege sowieso schon ueberstrapaziert war. Schon ab 1696 begannen im Schloss Neuburg zu Rijswik die Friedensverhandlungen, welche am 20.9. (England, Niederlande) und 30.10.1697 (Reich) in den Frieden von Rijswik muendeten. Ludwig der XIV. musste darin zum ersten Mal einen Verlustfrieden hinnehmen und auf seine widerrechtlichen Besetzungen verzichten und gab ebenso Phillipsburg, Breisach, Freiburg und Kehl ab.

Fuer Friedrich war der Kriegsverlauf allerdings eher sekundaer, da er mittlerweile an der Verwirklichung eines Traumes arbeitete, denn er wollte den Koenigstitel fuer sein Fuerstentum erreichen. Dies wuerde ihm spaeter gelingen, dennoch machen ihm Contra-Chronisten auch diese Errungenschaft madig. Man unterstellt, Friedrich waere es nur um die Kompensation seines koerperlichen Gebrechens (Buckel) gegangen oder dass nur seine Sucht nach ausufernden Luxus ihn nach der Koenigswuerde streben liessen. Das der Koenig auserordentlich lange, intensiv, zaeh und auch verbohrt gegen alle Widerstaende fuer sein Ziel arbeitete, dass er dafuer sogar ueber Leichen ging (Danckelmann), wird ihm nicht in Rechnung gestellt. Friedrich wird zwar durchaus die Befriedigung seines eigenen Egos gesucht haben, aber durchaus erkannt haben, wie exorbitant winchtig die Erlangung der koenigswuerde fuer Brandenburg-Preussen war.

In den Jahren 1691-93 wurde den Herzoegen von der Toskana, Savoyen und Lothringen gewaehrt, sich koenigliche Hoheit benennen zu duerfen, eine offizielle Aufwertung ihres Status. 1692 erhielt das staerkste evangelische Reichsfuerstentum Hannover die neunte Kurwuerde, womit es faktisch auf gleichem Rang wie Brandenburg stand. Zusaetzlich stand dem Haus Hannover die Option der englischen Koenigswuerde offen, welches es spaeter auch wahrnehmen wuerde. Im Jahre 1697 (Freidrich arbeitete schon seit laengerem an seiner Koenigswuerde) rueckte schliesslich auch noch der Kurfuerst von Sachsen, August der Starke zum Koenig von Polen auf (wofuer er allerdings zum Katholizismus konvertieren musste).

All diese Ereignisse werden dem Kurfuersten von Brandenburg-Preussen aufgezeigt haben, wie sehr er in seiner Position gegenueber anderen Adelsgeschlechtern zu stagnieren drohte. Nur eine Aufwertung des eigenen Einflussbereiches konnte ihn vor einem enormen Prestigeverlust bewahren und wuerde kuenftigen Generationen die Moeglichkeit zum Wachstum geben koennen. So anachronistischen diese Ansichten heutzutage auch sein moegen, damals waren sie bestimmend und legten eine Messlatte fuer dass, was ein Koenig fuer sein Reich bewirkt hatte.

Hinzu kam, dass Friedrich extrem empfindlich auf persoenliche Beleidigungen und Unterbewertungen seiner Wuerde reagierte. So kam es bei einem Besuch bei Wilhelm von Oranien (1691) zu heftigen Streitigkeiten um die Etikette. Dieser war 1689 nach seiner Landung in England zum koenig dort geworden, waehrend 6.000 Brandenburg-Preussische Soldaten ihm in den Niederlanden den Ruecken freihielten. Dennoch empfing Wilhelm seinen Cousin Friedrich III. nicht mit entsprechender Ehrerbietung. So soll sich Friedrich alsbald zu folgendem Kommentar hinreissen:

„Wenn ich alles habe, was zu einer koeniglichen Wuerde gehoeret, auch noch mehr als andere Koenige, warum soll ich dann auch nicht trachten, den Namen eines Koenigs zu erlangen?“

Obwohl dieses Zitat sicherlich von einer gewissen Ueberheblichkei zeugt, so lag Friedrich mit seiner Feststellung dennoch richtig: Er hatte mehr zu bieten als manch eine koenigliche Hoheit in Europa. Brandenburg-Preussen war eines der aufstrebenden Reichsfuerstentuemer und ein nahezu unentbehrlicher Buendnispartner fuer den Kaiser und Jedermann, der in Deutschland Einfluss zu nehmen gedachte. Zwar war das preussische Militaer kaum ein Gegner fuer eine Grossmacht, doch im internationalen Maechtekonzert konnte niemand hoffen alleine gegen den kleineren Gegner antreten zu koennen. Im Verbund mit einer Grossmacht konnten die ausgezeichnte ausgebildeten und disziplinierten preussischen Truppen jedoch mehr als unangenehm werden – weshalb in spaeteren Kriegen alle Parteien zu vermeiden suchten, Friedrich zu vergraezen. Nicht nur militaerisch, sondern auch wirtschaftlich hatte das Kurfuerstentum eine enorme Potenz. Dazu verhalfen dem Land vor allem der stetige Zustrom von den aus Frankreich vertriebenen Hogenotten. Friedrich fuehrte die Asyl- und Aufnahmepolitik seines Vaters fuer die Vertriebenen konsequent weiter und holte sich somit wirtschaftlich enorm wichtige und attraktive Scharen auswanderungswilliger Franzosen ins Land. Noch ueber Jahrzehnte hinaus wuerde Brandenburg-Preussen von den emsigen Exilanten profitieren.

Friedrich foerderte also wie gesagt die Wirtschaft in seinem Land, aber er war auch daran interessiert sein Kurfuerstentum kulturell vorranzubringen. So gurendete er 1694 die Universitaet Halle, 1696 die Akademie der Kuenste und 1700 die Preussische Akademie der Wissenschaften. Er trat hierbei als Schirmherr auf und unterstuetzte die Wissensschaftsinstitute auch finanziell. Zum Ausbau der Gebaeude und Berlins holte er mehrere beruehmte Kuenstler und Baumeister ins Land, z.B. einen gewissen Schlueter, welcher noch heute namentlich bekannt ist.

Was Friedrich also an militaerischen Meriten (im Gegensatz zu Vorfahren und Nachkommen pflegte er seine Truppen nur selten persoenlich ins Feld zu fuehren) machte er also durch seine Vorliebe zu Kunst und Kultur wett. Dies wurde von spaeteren Contra-Biographen in der Zeit des Kaiserreiches und des Imperialismus natuerlich nicht hoch angerechnet, bzw. sogar verlacht. Friedrich war auch kaum dazu angetan, seine Nachfahren zu beeindrucken, da er sich desweiteren in der Ausdrucksweise seiner Herrschaftsform am absolutistischen Vorbild Ludwigs XIV. orientierte. Dies ging sogar soweit, dass Friedrich seinem Spion in Frankreich auftrug, die Beschaffenheit von Ludwigs Peruecke auszukundschaften, so dass er diese originalgetreu kopieren konnte (was auf Droysen/ das 19. Jahrhundert mindestens skuril, wenn nicht sogar abstossend wirken musste). Bevor man Friedrich dafuer in die Pfanne haut, sollte man wissen, dass das Repraesentative, das Prestige, das Aeussere das absolut Wichtigste in jener Zeit war. Wer Groesse, Luxus und Macht ausstrahlte, besass diese Dinge auch schon (obwohl dies faktisch nicht unbedingt so sein musste). Gerade Friedrich musste dies wichtig sein, da er schliesslich eine koenigliche Hoheit werden wollte – und die Figur des europaeischen Royalismus des 17./18. Jahrhunderts war Ludwig XIV. Deshalb ist eine aeusserliche Orientierung an dem Vorbild wohl durchaus verstaendlich.

Der Kurs zur Koenigskroenung wurde durch weitere Beleidigungen Friedrichs waehrend des Pfaelzischen Erbfolgekrieges gefestigt. Im April 1692 fuehrte Friedrich ein Hilfskorps fuer die Allianz nach Crossem. Dort erschien jedoch kein kaiserlicher Beamter, um das Heer in Empfang zu nehmen. Wie schon erwaehnt, Etikette war enorm wichtig in dieser Zeit und der beleidigte Friedrich kochte vor Wut – spaeter entschuldigte sich Wien fuer den Vorfall.

Noch im selben Jahr legte Friedriche seinen Ministern im Geheimen Rat den Plan vor, die Koenigswuerde in Brandenburg-Preussen zu erhalten. Die Geheimraete, vor allem unter der Fuehrung Danckelmanns, lehnten diesen Plan jedoch ab, da sie eine Katastrophe fuerchteten: Die ablehnung der koenigswuerde und internationales Gelaechter fuer den Parvenue. Friedrich aber bewies Durchhaltevermoegen – oder Sturheit; er blieb bei seinem Vorhaben.

1693 legte man dem Kaiser in Wien ein geheimes Memorandum bezueglich der Koenigswuerde fuer Friedrich vor. Dieser war allerdings durchaus nicht geneigt, dem Betteln des bockigen Verbuendeten Gehoer zu schenken, da man sich ueber die ungeklaerte Erbfolge in Mecklenburg (welche beide Parteien fuer sich beanspruchten) in die Haare bekommen hatte. Die Geheimraete moegen aufgeatmet haben, da sie hofften, Friedrich wuerde nun von seinem Klein-Jungen-Traum ablassen – dies tat er aber durchaus nicht und er liess sich auch durch wiederholte Rueckschlaege nicht entmutigen.

1695 war die koenigsfrage Thema der Wiener Staatskonferenz. Es lag ein Vorschlag Friedrichs vor, dass er bereit waere, 30 Jahre auf die Koenigswuerde zu verzichten (welche dann eventuell erst seinem Nachfolger zugute gekommen waere) und dafuer seine Buendnisstreue garantierte. Dieses Angebot koennte unter Beweis stellen, das Friedrich durchaus uneigennuetzig handelte und mit der Koenigswuerde das Wachstum und Florieren seines Fuerstentums auch in ferner Zukunft sichern wollte. Allerdings war eine Ablehnung abzusehen, weshalb das Angebot vielleicht aus taktischen Gruenden gemacht wurde, um die Fronten aufzuweichen.

1696 schlossen Preussen und Bayern einen Geheimvertrag, sich gegenseitig bei der Erlangung der Koenigswuerde zu unterstuetzen. Friedrich streckte seine Fuehler noch weiter aus und auch der polnische Koenig sagte zu, die Koenigswuerde Friedrichs anzuerkennen. England wollte die Krone erst nach der Anerkennung des Kaisers bestaetigen.

1697 war ein aeusserst unglueckliches Jahr fuer Friedrich. In den Friedensverhandlungen zu Rijswik wurde Brandenburg-Preussen nur die Stellung einer kleineren Auxilliarmacht zugestanden. Eigentlich war dies aufgrund der Groesse des Landes und Friedrichs Status durchaus angemessen, allerdings fasste der Kurfuerst dies als akute Beleidigung auf. Es ging dabei desweiteren auch um fragen der Etikette: So wurde seinem zweiten Minister der Titel „Exzellenz“ verweigert, Ludwig XIV. weigerte sich sogar komplett, mit Friedrich zu verhandeln. Auch Gebietsansprueche Brandenburg-Preussens wurden ignoriert.

Fuer das Desaster brauchte Friedrich einen Suendenbock und fand ihn alsbald in der Person Danckelmanns. Dieser war schon seit laengerem unangenehm aufgefallen, da er erstens zu Bestimmend und uebermaechtig in der Politik geworden war – so hatte er beispielsweise viele Schluesselpositionen mit seinen sechs Bruedern besetzt (wobei er generell schon als Friedrichs Erzieher und Vertrauter sehr Einflussreich gewesen war). Desweiteren war er erklaerter Gegner der Koenigsbestrebungen Freidrichs, weshalb dieser ihn nun zu ersetzen gedachte (wohl auch, um dem einfluss seines Erziehers endlich zu entkommen).

So wurde Danckelmann fuer das negative Ergebnis der Rijswiker Verhandlungen und die fruehere Rueckgabe des Schwiebus verantwortlich gemacht und beurlaubt. Spaeter wurde ihm dann auch noch Veruntreuung vorgeworfen, um ihn politisch endgueltig zu exekutieren. Danckelmann kam fuer die jahrelange Dauer der Untersuchungen zuerst unter Hausarrest, dann in unehrenhafte Gefangenschaft. Schliesslich musste er entlassen werden, da die Vorwuerfe sich nicht bestaetigen liessen. Man gewaehrte ihm eine erbaermliche Pension und er starb enttaeuscht in einem kleinen Haus (seine restlichen Besitzungen waren enteignet worden). Die Art und Weise, wie Friedrich und seine auf Danckelmann folgenden Berater diesen loswurden, gehoert zu den erbaermlichsten Kapiteln in Friedrichs Herrschaft.

Nachfolger und Hauptberater Friedrichs wurden von Ilgen und Wartenberg. Diese hatten laut der Literatur keinen solch unbestechlichen und legaeren Charakter wie Danckelmann und uebten angeblich einen schlechten Einfluss auf den Koenig aus. Dennoch wuerden sie ihn ab und an durchaus gut beraten.

Im Zuge der Entmachtung Danckelmanns wurde auch dessen Bruder Nikolaus von Danckelmann als Diplomat am Wiener Hof abberufen (wo er sowieso durch mehrfache Bestechungsversuche unangenehm aufgefallen war). Die abgekuehlten Beziehungen zum Kaiser sollten durch die Entsendung Christian Friedrich von Bartholdi aufgefrischt werden. Der weiteren Agitation fuer die Koenigswuerde stand nun nichts mehr im Wege, da auch Friedrichs Geheimraete nach dessen Saeuberungsaktion im Rat fuer die Koenigswuedr votierten.

Friedrichs Verlangen erhielt nun unverhoffte Unterstuertzng aus der politischen Situation in Europa hinaus; jedermann war klar, dass der Pfaelzische Erbfolgestreit nur das Vorspiel zu einer weitaus groesseren Auseinandersetzung gewesen war, denn Ludwig XIV. war immer noch willig, seine Hegemonialstellung zu erreichen. So belauerten Franzosen auf der einen, die Seemaechte (England/ Niederlande) und das Reich einander und warteten auf die Gelegenheit, uebereinander herzufallen. Absehbar war, das ein Konflikt ueber die spanische Erbfolge die Moeglichkeit offerieren wuerde. Schliesslich wuerde es auch so kommen (spaeter mehr dazu).

Auch in Nord-Osteuropa bahnte sich eine grosse Auseinandersetzung an, denn sowohl Schweden, wie auch Russen (welche sich in Person von Koenig Karl XII. und Zar Peter gegenueberstanden) rasselten heftig mit den Saebeln. Es war abzusehen, dass keiner der kommenden Kriegsgegner die Preussen veraerhern wollen wuerde.

1699 verhandelte Pater Wolf mit Friedrich, was sich beinahe schon ein wenig wie Schadensbegrenzung ausnimmt, denn Ziel war es, Friedrich gemaess dem Beispiel August des Starken zu einer Konvertierung im Gegenzug zum Erhalt der Koenigswuerde zu bewegen. Friedrich blieb jedoch standhaft und lehnte strikt ab. 1700 unternahm der fruehere Beichtvater Augusts, Jesuitenpater Vota, in Berlin einen erneuten Versuch, Friedrich zum Uebertritt in die katholische Kirche zu bewegen. Selbst Papst Innozenz XII. unterstuetzte diese Versuche. Friedrich liess sich dennoch nicht beirren, denn er wusste, aufgrund des heraufziehenden Konflikts wuerde der Kaiser, trotz seiner Verzoegerungstaktik, schliesslich doch zustaimmen muessen.

Schliesslich kam es am 16.11.1700 zur Unterzeichnung des Krontraktats; kurz vorher (1.11.) war die Situation in Spanien eskaliert und der Krieg mit Frankreich zur Tatsache geworden. Friedrich sicherte im kommenden Konflikt die Stellung eines 8.000 Mann starken Truppenkontingentes zu (der groesste Gewinn fuer den Kaiser war, dass die Brandenburg-Preussischen Truppen nicht auf der gegnerischen Seite kaempften), was auch den Einsatz seiner sonstigen Armeen im kommenden Krieg vorherbestimmte. Dafuer erhielt Friedrich 150.000 Gulden Subsidien aus Wien, verzichtete allerdings auf noch ausstehende Zahlungen. Bei Kaiserwahlen verpflichtete sich Preussen die Wiener zu unterstuetzen.

Friedrich gedachte seine Kroenung gebuehrend zu feiern, denn: Repraesentation war, wie schon oben ausgefuehrt, enorm wichtig. In einem feierlichen Umzug zog er durch mehrere Gebiete seines Landes, bis er schliesslich in Koenigsberg ankam. Dies lag nicht zufaellig ausserhalb des Reichsgebietes, da die Krone eine Kompromissloesung bedeutete: Friedrich erhielt den Titel Koenig in Preussen. Dies schloss eine Koenigswuerde innerhalb des Reichsgebietes (Brandenburg) aus und wurde auch dem polnischen Sicherheitsbeduerfnis gerecht, denn Westpreussen befand sich schliesslich in der Hand Augusts.

In einer fuer die preussischen Geschichtsschreibung sicherlich beispiellosen Feierlichkeit, fuer die Friedrich keine Kosten und Muehen scheute (so liess er beispielsweise exotische Tiere und Masken heranschaffen und verkoestigte gesamte Bevoelkerung der Stadt bei Gratis-Banketten) kroente sich Friedrich am 18.1.1701 (sicherlich der gluecklichste 18.1. der deutschen Geschichtsschreibung) selbst zum Koening. Erst nach seiner Selbstkroenung erfolgte die kirchliche Salbung. Die Summe, die Friedrich I. fuer die Kroenungsfeierlichkeiten bezahlte, betrug astronomische umgerechnete 1,2 Milliarden DM!

England und Holland, die kuenftigen Verbuendeteten, erkannten die Krone im gleichen Jahr an. Die Kriegsgegner im Norden (wo der Sturm, welcher zum Grossen Nordischen Krieg wurde, schon 1700 losgebrochen war) beeilten sich, die Koenigswuerde ebenfalls anzuerkenn (Russland/Daenemark, Schweden). Diesem Beispiel folgten naturgemaess die Reichsfuersten. Nur Frankreich, Spanien, Polen und die Kurie kamen erst im Laufe des angebrochenen Jahrhunderts zur Annerkennung der Koenigswuerde.


Christian Ilaender, Dezember 1997.


Friedrich I.


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