Dezember 8, 2024

3. Der junge Cäsar, lässig gegürtet, ein Schrecken der Seeräuber


Nachdem die Ereignisse der Römischen Revolution, deren Kenntnis für das Verständnis von Caesar und seiner Zeit unverzichtbar ist, in den vorhergehenden Texten behandelt wurden, kommen wir nun endlich zu Caesar selbst.

Er wurde mitten in die heißeste Phase der Römischen Revolution hineingeboren und konnte die Ereignisse natürlich vorerst nicht beeinflussen. Über die Kindheit und Jugend Caesars, dem vielleicht größten Manne der Antike, dem sogar bescheinigt wurde, „der größte aller Sterblichen“ gewesen zu sein, ist kaum etwas überliefert. Anders als beispielsweise bei Alexander dem Großen (356-323 v. Chr., alle weiteren Daten ebenfalls vor Christus, wenn nicht anders gekennzeichnet) können wir nur die Grundzüge von Caesars Kindheit skizzieren, Anekdoten über ihn sind kaum bekannt, und wenn doch, sehr fragwürdig. Eines fällt jedoch auf (weil es eben nicht auffällt): Caesars frühe Jahre verliefen unspektakulär, beinahe uninteressant. Er wuchs genauso auf, wie jeder andere junge Nobilis, ein Kind aus gutem aber offenbar verarmten und nicht sonderlich interessantem Hause. Auch seine frühe Karriere ohne besonders spektakuläre Ereignisse vonstatten, in den vorgesehenen Bahnen, und kaum etwas, beinahe nichts, deutete in seinen ersten dreißig Lebensjahren auf die enorme geschichtliche Bedeutung hin, die er einmal erlangen sollte.

Gaius Julius Caesar wurde im Jahre 100 vor Christus geboren, am 13. Juli. Das Monatsdatum scheint durch Inschriften gesichert, die Jahreszahl könnte falsch überliefert sein, da Caesar einige seiner Ämter sonst nicht im vorgegebenen Rahmen der Sullanischen Reformen erlangt hätte, die ein Mindestalter verlangten. Mommsen datierte deshalb das Geburtsjahr Caesars auf 102 zurück. Allerdings waren auch durchaus Ausnahmen vom Mindestalter möglich, wie das Beispiel von Pompeius, Caesars Gegner im Bürgerkrieg, deutlich zeigt. Caesar wurde in das Adelsgeschlecht der Iulier hineingeboren, einer Familie der Nobilität, eine, deren Ahnen also bereits ein Konsulat bekleidet hatten. Allerdings war das bei den Iuliern nur 267 und 157 der Fall gewesen; sie waren also keine besonders angesehene Familie und rangierten im Kreise der großen Adels- und Senatorengeschlechter eher unter „ferner liefen“ – allerdings gehörten sie zu den ältesten Patriziergeschlechtern der Stadt. Dementsprechend waren auch Caesars Großvater und sein Vater, der ebenso hieß wie sein Sohn, nicht sonderlich erfolgreich gewesen: Im Jahre 100 (also dem möglichen Geburtsjahr Caesars) bekleidete Caesars Vater die Quästur, das unterste Magistrats-Amt. 92 brachte er es immerhin noch zur Prätur, bevor er 85 überraschend in Pisa starb. Konsul war er nicht geworden. Der Name „Iulier“ leitet sich übrigens von Iulus (= Askanius), dem Sohn des trojanischen Helden Äneas, ab. Äneas war nach seiner Flucht aus dem untergegangenen Troja zum legendären Stammvater Roms geworden. Äneas war der Sohn der Venus und des Anchises. Nebenbei: Auch Sulla leitete die Herkunft seiner Familie von den Göttern ab. Woher der Name „Caesar“ (gesprochen übrigens „Kaisar“) stammt, bleibt umstritten. Wahrscheinlich ging er aus den Punischen Kriegen hervor, wo sich vielleicht ein Vorfahre Caesars rühmlich hervortat („Caesar“ heißt angeblich auf karthagisch Elefant, und der ist ja bekanntlich das Symboltier für Hannibals berühmten Zug über die Alpen).

Trotz jener edlen Abkunft war das Geschlecht der Iulier soweit heruntergekommen, dass Caesar in der Subura zur Welt kam, einem überbevölkerten Massenwohnviertel Roms. Dies gereichte ihm aber nicht unbedingt zum Nachteil, denn in dieser rauen Umgebung musste er lernen, sich durchzusetzen. Sulla wuchs ganz ähnlich auf, und er gelangte ebenso wie Caesar zu großer Macht.

Caesars Mutter Aurelia war es, die das Leben des Jungen entscheidend bestimmen sollte, denn sie war es wohl, die ihn in seinen Lehrjahren unterrichtete und Lehrer für ihn aussuchte, so zum Beispiel den außerordentlichen Rhetor und Gelehrten M. Antonius Gnipho, dem auch der junge Cicero zuhörte. Caesars Ausbildung enthielt mit den griechischen Klassikern und Philosophen das beste, was die antike Welt damals zu bieten hatte. Dennoch handelte es sich um keine besondere Ausbildung, denn sie kam den meisten jungen Nobiles zu. Von daher und von seiner Abstammung ließ sich also kaum eine sonderlich aufsehenerregende Karriere erwarten.

Seine Ausbildung an den Klassikern führte sogar soweit, dass Caesar angeblich (nach Sueton) einige Werke verfasste, zum Beispiel „Lob des Herkules“, ein Trauerspiel namens „Ödipus“ und eine Verssammlung. Wenn diese Schriftstücke tatsächlich verfasst wurden, dann sind sie verloren. Es ist durchaus möglich, dass sich Caesar schon frühzeitig literarisch betätigte, denn in seinen späteren Jahren schrieb er mehrere Bücher über die eigene Kriegsgeschichte: Ein Buch über den Gallischen Krieg, eines über den Bürgerkrieg gegen Pompeius und eines über den Alexandrinischen Krieg. Sogar ein Werk zum Umgang und Gebrauch der Lateinischen Sprache entstammte seiner Feder. Inwieweit diese Werke allerdings von schriftstellerischem Niveau oder ob sie nur Propaganda waren (und ob sie überhaupt alle von Caesar persönlich sind), klären wir an späterer Stelle. Der Leser mag dann darüber entscheiden, inwieweit mögliche Frühwerke Caesars für uns wertvoll wären.

Im Hause der Iulier war man offenbar fest entschlossen, dem jüngsten Spross eine aussichtsreiche Karriere zu ermöglichen, schließlich war es an der Zeit, dass einer aus der Familie mal wieder hohe Ehren erlangte. In seiner Verwandtschaft mütterlicherseits hatte es schließlich einige Prominenz gegeben. So waren Vater und Großvater der Aurelia Konsuln gewesen, und sie war eine Cousine der drei Gebrüder Cotta, die noch dreimal die höchste Magistratur bekleiden würden (Konsulate 75, 74, 65). Die väterliche Seite hatte dagegen, wie schon gesagt, außer zwei Konsulatsämtern in zwei Jahrhunderten nicht so viel zu bieten, allerdings hatte Marius, einer der größten Popularen überhaupt, der in der Römischen Republik am häufigsten die Konsulatswürde bekleidete (sieben Mal), Caesars Tante Julia geheiratet. Danach scheint es für die Caesaren aufwärts gegangen zu sein, denn wie erwähnt erreichte Caesars Vater immerhin die Prätur und sein Bruder Sextus sogar das Konsulat. Der Zweig der Familie, der sich in aller Regel Lucius Caesar nannte war aber eigentlich bis dahin der wichtige Teil der Familie gewesen – so wurde Caesars Cousin Lucius Caesar ebenso zum Konsul und diente Caesar später als Legat in Gallien, obwohl er älter als er war. Caesars politische Orientierung jedoch stand aufgrund des verwandtschaftlichen Verhältnisses zu Gaius Marius fest, was ihm zuerst nicht zum Vorteil gereichte, wie wir sehen werden.

Zurück zur Karriere des jungen Mannes, der offenbar im Jahre 84 sein erstes Amt erhielt. Er wurde zum flamen dialis gewählt, einem angesehenen Opferpriester des Zeus, offenbar Dank des Einflusses seiner Mutter und seiner Tante Julia in popularen Kreisen. Das Amt war mit allerlei Ehrungen verbunden, beispielsweise stand ihm ein Lektor (eine Art Schriftführer, Sekretär) zu, er durfte die toga praetexta tragen (Priestergewand) und erhielt einen Sitz im Senat. Dennoch war das Amt auch mit einigen Nachteilen verbunden. So sollte  Caesar beispielsweise strenge Fastenzeiten einhalten, durfte keine militärischen Einheiten führen und konnte Rom nur für zwei Tage und drei Nächte verlassen. Außerdem durfte er weder Metall berühren, noch einen Toten sehen – somit ist es fraglich, ob Caesar dieses Amt jemals angetreten ist, denn ansonsten wären alle militärischen Ämter und Aktionen, die er in der Folgezeit bekleiden sollte, ausgeschlossen gewesen. Der nun folgende Konflikt scheint ihn gleichzeitig auch von diesem renommierten, politisch aber als Sackgasse zu betrachtendem Amt, entbunden zu haben.

Caesar löste seine Verlobung mit der Cossutia, die aus einer ritterlichen Familie stammte, da das Priesteramt eine patrizischen Ehe vorschrieb. Stattdessen heiratete er Cornelia, die Tochter Cinnas, des Spießgesellen des Marius, der seit 87 das Konsulat innehatte, und der seit Marius Tod die Politik Roms quasi im Alleingang bestimmte, immer bedroht vom Damoklesschwert der Rückkehr Sullas aus dem Osten.

Eben diese Verbindung zu den Popularen und seine Verwandtschaft mit Marius brachte Caesar, erst achtzehnjährig (wir bleiben beim Geburtsjahr 100), sein erstes Abenteuer ein, welches allerdings wenig angenehm verlief. Caesars Schwiegervater Cinna, der dem Optimaten Sulla entgegenziehen wollte, wurde durch meuternde Soldaten erschlagen. 82 kehrte Sulla schließlich von seinem erfolgreichen Krieg gegen Mithridates VI. Eupator, Herrscher von Pontos, zurück und fegte den Widerstand der Popularen hinweg. Er zerschlug ihr Regime und ersetzte es mit der Unterstützung der Nobilität durch eine optimatische Schreckensherrschaft, die sich durch Proskription (Ächtung) politischer Gegner zu stabilisieren suchte. Populare wurden entehrt, denunziert, enteignet oder gleich hingerichtet. Zu eben diesen aber gehörte Caesar jetzt durch seine Verwandtschaft, auch er wurde geächtet und musste aus Rom fliehen. Sulla forderte von ihm die Auflösung der Ehe mit Cornelia, der Tochter seines Todfeindes Cinna. Caesar weigerte sich, was uns zur Streitfrage über den Charakter seiner Ehe führt. Ob Caesar seine erste Frau wirklich geliebt hat oder nicht, könnten wir wohl nur von ihm persönlich erfahren. Fakt ist, dass er sich in einer für ihn lebensbedrohlichen Situation weigerte, seine Ehe zu annullieren. Caesar-Gegner weisen darauf hin, dass mit einer Annullierung der Ehe auch der Verlust der stattlichen Mitgift einher gegangen wäre. Dennoch ist es eher unwahrscheinlich, dass ein junger, ambitionierter Vollblutrömer wegen einer Frau, für die er nichts empfand, seine Karriere und letztlich auch sein Leben aufs Spiel gesetzt hätte. Übrigens wurde in dieser Ehe schon im Jahre 84 oder 83 Caesars Tochter Julia geboren, die er sehr geliebt hat und die ihm ähnlich gewesen sein soll. Dem Leser bleibt selbst überlassen, dies zu beurteilen.

Caesars Flucht dauerte nicht lange. Er wurde von Sullanern in sabinischem Gebiet aufgegriffen. Er konnte sie jedoch mit zwei Talenten Gold (ein Talent entsprach 240 Aurei, knapp 2 kg Feingold) bestechen und wurde freigelassen. Inzwischen hob Sulla die Ächtung des jungen Adeligen dank der Fürsprache der unbescholtenen mütterlichen Familie wieder auf, soll aber den prophetischen Ausspruch „Der, dessen Rettung ihr so sehr wünscht, wird euch und der Aristokratie dereinst den Untergang bringen…“ getan haben. Oder er soll gesagt haben „In Caesar steckt mehr als ein Marius…“. Oder er soll auch vor „dem schlecht (lässig) gegürteten Knaben“ gewarnt haben (vielleicht hielt Sulla Caesar für das, was unsere Alten heute von Hippies oder langhaarigen Jugendlichen halten). Wahrscheinlich aber ist, dass antike Chronisten diese vorausschauenden Aussprüche Sulla nur in den Mund legten, um Caesars wenig interessante Jugend aufzubauschen. Es wird sich eher so verhalten haben, dass der junge Aristokrat schlicht zu unwichtig war, um großes Aufheben um ihn zu machen. Bestechungen und Beziehungen werden ihr übriges getan haben und Sulla ließ von dem Jungen ab, es gab wahrlich Wichtigeres zu tun. Sulla errichtete schließlich eine Obrigkeitsoligarchie, reformierte und restaurierte die Senatsherrschaft und setzte eine Reihe weiterer Änderungen als Diktator durch.

Caesar, der schon zu jener Zeit ein Lebemann war und gerne auf großem Fuß lebte (die Anhäufung seines berühmten Schuldenberges begann zu diesem Zeitpunkt) misstraute offenbar seiner Begnadigung und suchte sich möglichst schnell aus Rom davonzumachen. Dazu meldete er sich neunzehnjährig zum Militärdienst in Kleinasien. Ganz offenbar wollte er nicht seine militärische Laufbahn vorantreiben, sondern der römische Boden unter seinen Füssen war ihm einfach zu heiß geworden. Caesar wurde Offizier im Stabe des Marcus Minucius Thermus, dem sullanischen Proprätor und Statthalter der Provinz Asia. Hier belagerte der Proprätor die Stadt Mytilene auf der Insel Lesbos, die sich als letzter griechischer Staat weigerte, nach der kurzzeitigen Befreiung durch Mithridates die Oberhoheit Roms wieder anzuerkennen. Mytilene war militärisch recht gut gerüstet, aber das ärgerlichste für die Römer war wohl die feindliche Flotte, der sie keine eigene entgegensetzen konnten.

Caesar, der trotz seiner Vorgeschichte schnell das Vertrauen seines Vorgesetzten gewann, wurde in diplomatischer Mission zu König Nikomedes von Bithynien entsandt. Dieser Monarch war nach dem Einfall Mithridates zuerst nach Rom geflohen und später von den Römern wieder als König eingesetzt worden, allerdings mit der Verpflichtung, den Römern bei Bedarf eine Flotte zu stellen. Als der König seiner Verpflichtung nur zögerlich nachkam, wurde Caesar entsandt, um die römischen Ansprüche durchzusetzen. Offenbar gefiel es Caesar am Hofe des Nikomedes recht gut, denn er blieb wesentlich länger als nötig. Was es nun wirklich war, was ihn an den bithynischen Hof des Nikomedes band, ist nicht mehr belegbar. In Rom aber begann bald die Gerüchteküche zu brodeln, denn angeblich hatte Caesar eine homoerotische Beziehung zu dem Monarchen. Die Gerüchte hielten sich hartnäckig und verfolgten Caesar sein ganzes Leben lang, zumal er unnötigerweise noch einmal an den bithynischen Hof zurückkehrte. Im Senat wurde Caesar auch Jahrzehnte später noch „königliche Mätresse“, „Innenseite des Königslagers“, oder einfach „Königin“ genannt. Auch Spottverse auf Caesar entstanden („Was nur Bithynien und Caesars Buhler je besessen haben“) und sogar seine Soldaten, die beim triumphalen Einzug in Rom Narrenfreiheit genossen, sollen gesungen haben : „Caesar unterwarf ganz Gallien/Nikomedes Caesar einst./ Sieh, Triumphzug feiert Caesar, der ganz Gallien unterwarf./ Nikomedes triumphiert nicht, der den Caesar unterwarf./“. Homoerotische Verbindung waren in der Antike übrigens nichts Außergewöhnliches und schon gar nichts Verbotenes. Sogar Alexander der Grosse wird wohl sein Lager mit seinem besten Freund und Hetairen Hephaistion und diversen Lustknaben geteilt haben. Dennoch konnte solch eine Beziehung schon damals zu einem dekadenten Ruf führen, den auch Caesar Gegner eifrig betonen. Wie auch immer, ob es nun Nikomedes war, wegen dem Caesar in Bithynien verweilte, oder vielleicht auch eine Hofdame (auf diese einfache und unspektakuläre Erklärung sind übrigens die wenigsten Chronisten oder Biographen gekommen), oder einfach nur das illustre Hofleben Bithyniens, kann niemand sagen.

Nebenbei allerdings erfüllte Caesar seinen Auftrag, eine bithynische Flotte wurde gerüstet. Noch im Jahre 80 nahm Caesar an der Eroberung Mytilenes teil, wobei sich der junge stutzerhafte Geck („lässig gegürtet“) überraschend mit großer Tapferkeit schlug. Er wurde mit dem Corona Civica ausgezeichnet, einer hohen militärischen Ehrung. Später übernahm er im Stabe des Thermus offenbar Verwaltungsaufgaben. Im Jahre 78 diente er unter Prokonsul Publius Servilius Isauricus, der gegen die Seeräuber Kilikiens kämpfte. Nach wenigen Tagen im Dienst des Prokunsuls erfuhr man vom Tode Sullas, und Caesar, offenbar desinteressiert an einer weiteren militärischen Laufbahn, durch die er später an die Macht gelangte, ging zurück nach Rom. Er beendete den Dienst bei Isauricus, mietete sich ein Schiff und segelte so schnell wie möglich in seine Heimat. Angeblich beeilte sich Caesar so sehr, weil er vom Konsul Aemilius Lepidus in dessen Pläne eingebunden werden sollte. Der jedoch scheiterte 77 mit seiner geplanten Revolte und wurde von Pompeius geschlagen und getötet. Falls Lepidus den jungen Caesar also für sich hatte gewinnen wollen, so tat Caesar recht daran, auf ein eventuelles Angebot nicht einzugehen.

Zurück in Rom also frönte Caesar dem reichen Leben. Er wurde durch seine reichhaltigen Gastmähler zu einer regelrechten Berühmtheit und warf mit dem Geld geradezu um sich. Doch auch auf politischer Ebene wurde der mittlerweile zweiundzwanzigjährige aktiv und zwar als Anwalt. Als Prozessgegner suchte er sich ausgerechnet zwei Sullaner aus (die Zeit war noch von der Restauration des Diktators geprägt), wobei er wohl kaum ernsthaft an einen erfolgreichen Verlauf des Verfahrens geglaubt haben kann. Zuerst klagte er Gnaeus Cornelius Dolabella an, einen der prominentesten Sullaner, Ex-Konsul von 81 und Statthalter 80/79 in Makedonien. Dieser hatte, wie es offenbar zum guten Ton dieser Zeit gehörte, die Provinz hemmungslos ausgebeutet und dabei in die eigene Tasche gewirtschaftet. Ob die Makedonen Caesar zu ihrem Anwalt machten, oder ob Caesar von allein ihre Sache in die Hand nahm (vielleicht als Sprungbrett zu einer politischen Karriere) ist nicht bekannt. Der reiche Dolabella verpflichtete Quintus Hortensius und Gaius Aurelius Cotta, die zu den anerkannt besten Anwälten und Rednern in Rom gehörten (letzterer war mit Caesar durch dessen Mutter verwandt und hatte sich noch während der Verfolgung Caesars 84 für diesen eingesetzt). Caesar unterlag in dem Prozess, der einiges Aufsehen erregt hatte. Er ließ sich jedoch nicht durch die Niederlage entmutigen, sondern trat im Jahr darauf (76) erneut als Ankläger auf.

Dieses Mal versuchte er sich an dem sullanischen Reiteroffizier Gaius Antonius, welcher während der mithridatischen Kriege über das Kriegsrecht hinaus geplündert und sich selbst bereichert hatte. Von den Griechen beauftragt, vertrat Caesar die berechtigten Vorwürfe und Antonius konnte nur durch eine illegale Aufhebung der Verhandlung vor einer Verurteilung gerettet werden. Für Caesar blieb das Ergebnis allerdings dasselbe: Er unterlag erneut. Wie gut Caesar mit diesen Niederlagen fertig wurde, ist kaum mehr nachvollziehbar. Wichtiger als sein Misserfolg war allerdings die Aufmerksamkeit, die er erregt hatte. Die Popularen, die zuletzt nicht besonders erfolgreich gewesen waren (Marius, Cinna und Lepidus scheiterten kläglich) horchten auf: War hier ein Mann, den man in einigen Jahren für die populare Partei einsetzen konnte? Schließlich war er mutig gegen die besten Anwälte seiner Zeit angetreten und hatte populare Ansichten vertreten.

Caesar hatte im Augenblick offenbar genug und wandte Rom den Rücken (75). Vielleicht wollte er auch dem zu erwartenden Spott gegen seine Person ausweichen. Er suchte sich als Lehrer den berühmten Apollonius Molon von der Rhetorik-Schule auf Rhodos aus. Eine solche Bildungsreise war für einen jungen Römer durchaus üblich; auch Cicero begab sich im Alter von achtundzwanzig Jahren nach Rhodos. Für Caesar verlief die Reise allerdings mit Hindernissen: sein Schiff wurde bei Pharmakusa von kilikischen Piraten gekapert, er selbst als Geisel gefangengenommen.

Was nun folgt ist sicherlich eine der farbigsten Anekdoten über Caesar, die es gibt. Sie ist uns recht übereinstimmend überliefert und kann schon jetzt viel über den späteren Caesar verraten, über seinen Umgang mit Menschen und sein unglaublich rasches Umdenken und Handeln bei Notwendigkeit. Caesar lachte die Piraten aus, die anfänglich nur zwanzig Talente Lösegeld für ihn gefordert hatten, da er ihre Forderung für seine Person als lächerlich niedrig empfand. Er bot ihnen freiwillig an, fünfzig zu zahlen. Caesar behandelte sie eher wie Untergebene als wie seine eigenen Kidnapper, er erteilte ihnen Befehle, sogar dass sie still zu sein hatten, wenn er schlief. Er verfasste Gedichte und Geschichten während seiner achtunddreißigtägigen Gefangenschaft, las sie ihnen vor und wenn sie ihm nicht gebührend Bewunderung zollten, beschimpfte er sie furchtlos als kulturlose Barbaren. Außerdem trieb er auch Späßchen mit ihnen und sagte ihnen im Scherz, er werde sie alle hängen lassen, wenn er erst einmal wieder frei sei (den Piraten sollte wenig später das Lachen über diesen „Scherz“ vergehen).


Caesar zeigte in der Gefangenschaft der Seeräuber keinerlei Furcht.
Caesar wurde mit den Mitteln der kleinasiatischen Staatskasse schließlich freigekauft. Anstatt sich über seine Auslösung und seine Unversehrtheit zu freuen, heuerte Caesar noch in der selben Nacht auf eigene Faust und ohne Kommando eine ganze Flotte an, suchte und fand die Piraten, die es gewagt hatten, ihn gefangen zu nehmen und nur lächerliche zwanzig Talente Lösegeld zu fordern, und machte seine im Scherz gemachten Drohungen war. Er versenkte einige Schiffe, brachte viele andere auf und nahm eine große Anzahl Menschen gefangen. Nur wenige Piraten konnten fliehen. Sogleich begab sich Caesar zu Prokonsul Iunius Iuncus nach Bithynien (Nikomedes war mittlerweile verstorben), um die Erlaubnis für die Hinrichtung der Piraten zu erhalten. Der Prokonsul versagte ihm diese Erlaubnis jedoch, denn er wollte die Piraten lieber gewinnbringend als Sklaven verkaufen. Caesar reiste zurück und ließ die Piraten auf eigene Faust kreuzigen, ersparte ihnen jedoch ein qualvolles Dahinsiechen, indem er sie zuvor erdrosseln ließ, was einige Autoren als erstes Zeichen seiner Milde ansehen.

Caesar nutzte weiter die Gunst der Stunde und kassierte die fünfzig Talente, die von Kleinasien für seine Auslösung aufgebracht worden waren, selbst ein, um seine mittlerweile maroden Finanzen zu sanieren. Einige Autoren machen ihm dies zum Vorwurf, während andere sein gewitztes Handeln bewundern. Wie auch immer, sein eigenmächtiges Vorgehen hatte für Caesar keine Konsequenzen, schließlich hatte er nur ein paar Piraten beseitigt, die er übrigens verdächtig schnell hinrichten ließ – vielleicht um unangenehme Fragen über den Verbleib des Lösegeldes zu vermeiden.

Endlich gelangte Caesar dann nach Rhodos, wo er einige Wochen blieb. Offenbar hatte er jedoch Geschmack an eigenmächtigen Unternehmungen gefunden, denn als Mithridates 74 in die Provinz Bithynien einfiel, war Caesar sogleich zur Stelle. Er setzte nach Kleinasien über und stellte eigenhändig, erneut ohne Mandat oder Kommando, eine Truppe aus Bürgermilizen und Freischärlern zusammen, mit der er kurze Zeit erfolgreich gegen Mithridates kämpfte. Der Einsatz war allerdings nicht von langer Dauer. Wahrscheinlich unterstellte er seine Truppen den für den 3. Mithridatischen Krieg eintreffenden Legionen. Später diente Caesar vielleicht noch einige Wochen unter dem Prätor Marcus Antonius, der vom Senat mit der Säuberung der kleinasiatischen Küste von Seeräubern beauftragt worden war.

Anfang 73 erreichte Caesar eine eigentlich traurige Meldung, die ihn aber gewiss mit Hoffnungen erfüllte. Sein Verwandter Gaius Aurelius Cotta war verstorben, und Caesar wurde, siebenundzwanzigjährig, auf Betreiben seiner Familie an dessen Stelle in das Kollegium der Oberpriester gewählt. Sogleich eilte Caesar nach Rom zurück. Seine Wahl in dieses integere Amt ist erstaunlich, schließlich soll er den besseren Kreisen als Popular und dekadenter Lebemann gegolten haben. In dieser Position knüpfte Caesar offenbar viele Verbindungen, gab reiche Feste und hatte für jeden, angeblich auch für die Niedrigsten und Ausgestoßenen, ein offenes Ohr, da er hoffte, sie später für seine Pläne benutzen zu können.


Christian Ilaender, September 1996. Verbessert und korrigiert von Peter Mühlan, Januar 2003.


Caesar


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