Dezember 8, 2024

1. Punischer Krieg / Hamilkar Barkas


1.

Wollen wir Hannibals Angriff auf Rom und seinen tief verwurzelten Hass auf die Roemer, der bis zu seinem Selbstmord sein Leben bestimmen sollte, verstehen, so muessen wir das Rad der Geschichte zurueckdrehen und die Ereignisse des 1. Punischen Krieges darstellen, in dem sich Hamilkar Barkas, der Vater Hannibals, besonders hervortat.

Beginnen wir aber noch frueher. Was waren das fuer Gegner, die in den punischen Kriegen aufeinandertrafen, und die im zweiten dieser Kriege um die Weltherrschaft rangen? Der Krieg war fuer die Entwicklung West-Europas vieleicht wichtiger als jeder andere, die Auseinandersetzung zwischen Orient und Okzident hatte hier ihren ersten und wahrscheinlich auch bedeutendsten Hoehepunkt.
Das Vorspiel fuer dieses mit unglaublicher Haerte gefuehrte Ringen um die Weltherrschaft war der 1. Punische Krieg.

Waehrend wir ueber Rom sehr viel aus Quellen erfahren koennen, so wissen wir ueber Karthargo bedeutend weniger. Sicher ist, daك die Stadt von den Phoeniziern gegruendet wurde. Als Mutterstadt Karthargos, was nicht mehr als „neue Stadt“ bedeutet, wurde Tyros angesehen. Allerdings hatte die Tochterstadt bald die Bedeutung ihrer Mutterstadt ueberfluegelt. Tyros selbst war einem bestaendigen Abstieg ausgesetzt, welcher in der Eroberung durch Alexander den Grossen (332), mit der stillschweigenden Billigung Karthargos, gipfelte.

Das mythische Gruendungsdatum fuer Kathargo ist 814 v. Chr. (alle weiteren Daten beziehen sich ebenfalls auf die vorchristliche Zeit, wenn sie nicht anders markiert sind). Der Legende nach wurde die Dido von ihrem machthungrigen Bruder Pygmalion aus Tyros/Phoenikien vertrieben. Sie landete in Nordafrika und der Regionalfuerst Jarbas billigte ihr soviel Land zu, wie sie mit der Haut eines Ochsen eingrenzen konnte. Dido erwies sich als ebenso verschlagen wie ihre handeltreibenden Nachfahren und schnitt die Ochsenhaut in so duenne Streifen, dass sie eine ganze Huegelkuppe umspannte, die Byrsa, aus der das Zentrum „Quart Hadashts“ (urspruenglicher phoenikischer Name) entstehen sollte.


Das Geschmeide zeugt von der Kunstfertigkeit der Kartharger.

Wie gesagt, die Kartharger waren aeusserst geschickte Haendler, was sie von ihren phoenikischen Vorfahren geerbt hatten. Diese hatten zur leichteren Komunikation sogar das erste Alphabet erfunden. Ebenso wie die Unternehmungslustigen Bewohner ihrer Mutterstadt Tyros, die als erste bis nach Gibraltar vorgestossen waren, bereisten die Kartharger den gesamten Mittelmeerraum und betrieben Handel mit den Kanarischen Inseln und dem keltischen Nordeuropa (England/ Cornwall). Es gibt sogar Spekulationen, dass die Kartharger, oder Phoenizier, Afrika umsegelten, oder gar bis nach Suedamerika vorgestossen waren.

Auf jeden Fall war Karthargo eine bluehende Handelsmetropole, in der unbeschreiblicher Reichtum herrschte. Die Bevoelkerung setzte sich aus der phoenikischstaemmigen Oberschicht und einem bunten Gemisch aus allen Mittelmeeranreinern zusammen. So gab es neben dem Reichenviertel „Megara“ auch ein Viertel fuer die Hellenen (Griechen aus Sparta, Athen, Korinth, u.s.w.), fuer die Libyier (Afrikaner, Aegypter, Numidier,…) und noch etliche andere Voelker (Gallier, Iberer, Balearen,…). Dank ihres Reichtums brauchten die Kartharger kein Volksheer aufrecht zu erhalten, sondern bedienten sich bei Noetigkeit gewaltiger Soeldnerheere, die sich aus Numidien, Griechenland, Iberien oder von anderswo rekrutierten. Karthargos Macht war so gewaltig, dass Alexander sie nach seiner Zerschlagung des Perserreiches als letzte uebriggebliebene Grossmacht anerkannte. Zu einem Angriff auf Karthargo kam es aber nicht, da Alexander kurz vor seinem Aufbruch nach Arabien und Libyien (Afrika) 323 in Babylon starb.

Die Roemer hingegen waren nicht von solchem Reichtum verwoehnt, im Gegensatz zu den Kathargern. Anders als das geschickte Haendlervolk blieben sie auch nicht von groesseren Auseinandersetzungen verschont. Sie waren seit dem mythischen Gruendungsdatum ihrer Stadt 753 in staendige Kriege verwickelt. Die zaehen Roemer, deren Vorfahren wohl italische Bauern gewesen sind, arbeiteten bestaendig daraufhin, sich den italienischen „Stiefel“ zu unterwerfen und hatten dieses Ziel beim Ausbruch des 1. Punischen Krieges 264 nahezu erreicht. Die blutigen Stationen dieses Hegemoniestrebens waren beispielsweise die Unterwerfung der Italiker (498 – 493), die Eroberung Etruriens (406 – 396, Fall Vejis) und die Beendigung der etruskischen Hochkultur. Die Kelten mussten in langwierigen Kriegen unterworfen werden und brachten Rom an den Rand einer Niederlage („Gallierkatastrophe„, Brand Roms, 387), bis auch sie unterworfen waren. Die 3 Samnitenkriege (343-341, 326-304, 298-290) wurden mit grosser Grausamkeit gefuehrt und endeten in der Unterwerfung des Nachbarvolkes. Ueberhaupt gab es in der Geschichte des damaligen Roms kaum jemals eine Zeit, in der nicht verbissen gegen eine Stadt, gegen ein Volk oder um eine Region gekaempft wurde. Selbst in vereinzelten Jahrzehnten des Friedens ruesteten die Roemer fuer neue Auseinandersetzungen (z.B. gegen Latiner und Kelten) auf.

Der bisher groessten Gefahr aber setzte sie Koenig Pyrrhos aus Epiros aus. Die Griechenstaedte an Italiens Kuesten hatten Roms Eroberungskriege unbehaglich beobachtet und fuehlten sich nun zurecht bedroht von dem immer staerker werdenden Rom. Die Stadt Tarent entschloss sich zum Krieg (282) und bat Koenig Pyrrhos um Hilfe. Dieser ueberquerte die Adria mit einem grossen Heer und brachte auch die ersten Kriegselefanten nach Italien. Bei Heracleia (280) besiegte Pyrrhos die Roemer zum erstenmal und konnte auch bei Ausculum unter schweren Verlusten siegen. Allerdings verlor er soviele Maenner, dass er gesagt haben soll: „Noch ein solcher Sieg und ich muss wohl allein nach Epirus zurueckkehren.“. Seitdem spricht man bei einem Sieg mit unverhaeltnismaessig hohen Verlusten von einem „Pyrrhossieg„. Anstatt aber nun auf Rom zu ziehen wandte sich Pyrrhos einem anderen Gegner der Griechen zu: den Karthargern auf Sizilien. Noch bevor Rom ein ernstzunehmender Machtfaktor wurde, kaempften Kartharger und Griechen verbissen um Sizilien. Nachdem man die Etrusker ausgeschaltet hatte (474, Seesieg des Hieron von Syrakus bei Cumae) rangen Griechen und Punier um die Vormachtstellung. Waehrend Ost-Sizilien von den Griechen besiedelt wurde (die groesste und schoenste Stadt griechischer Gruendung (Korinth) war Syrakus, das es an Groesse und Schoenheit mit Karthargo und Rom aufnehmen konnte).

Es stellt sich nun auch die Frage, warum die Kartharger der Ausbreitung Roms mit aller Seelenruhe zusahen, es sogar mit gelindem Wohlwollen betrachteten und unterstuetzten (bis 306 wurden drei Friedens-, Neutralitaets- und Handelsabkommen zwischen Karthargo und Rom ausgehandelt)? Wahrscheinlich unterschaetzte man die Gefahr, die von den primitiv anmutenden Roemern ausging, ebenso wie ihr Machtstreben. Allerdings ist der Hochmut der Kartharger nicht verwunderlich, da ihre Stadt in jeder Form erblueht war und sich hier eine Menge von Tempeln und Luxusvillen fanden. Die Elefantenstallungen fanden sogar Platz fuer bis zu 300 Tiere. Rom hingegen war nicht viel mehr als eine Ansammlung von Lehmhuetten. Die grosse Baukunst der Roemer sollte erst viel spaeter beginnen, naemlich unter den Nachfolgern Caesars. So betrachtete man die kriegerischen Roemer also als Waffe gegen Etrusker und spaeter gegen die unangenehme griechische Konkurrenz. Schon hier spiegelt sich wieder, dass die karthargische Politik durch finanzielle Gesichtspunkte, gepraegt durch Gier, bestimmt wurde, ein Umstand, der auch fuer Hannibals Scheitern verantwortlich sein wird.

Zurueck zu Pyrrhos, der inzwischen erfolgreich gegen die Kartharger auf Sizilien gekaempft hatte und alle karthargischen Stuetzpunkte bis auf Lilybaeum eroberte. Als die Griechenstaedte, die ihn einst zu Hilfe gerufen hatten, allerdings feststellten, dass Pyrrhos ein Koenigtum auf ganz Sizilien durchzusetzen versuchte, fielen sie von ihm ab, und einigten sich hinter seinem Ruecken mit Karthargo. Er kehrte von seinen verlustreichen Kaempfen aus Sizilien nach Italien zurueck und unterlag den Roemern bei Benevent. Er musste nach Epirus fliehen. Tarent sah sich 272 zum Friedensschluss mit Rom genoetigt. Damit konnte sich Rom ganz Unteritalien einverleiben und war nach fast 500 Jahren ununterbrochener Kaempfe Beherrscherin des italienischen „Stiefels“. Karthargo erlangte die verlorenen Gebiete zurueck, Syrakus blieb unabhaengig.

Die Buehne war bereitet fuer den 1. Punischen Krieg. (264 – 241) Die Roemer waren zur Grossmacht aufgestiegen und empfanden die Kartharger auf Sizilien als staendige Gefahr, da sie mit Korsika, Sardinien und halb Sizilien im Besitz zu Schluesselpositionen fuer eine Invasion Italiens waren. Ausloeser des Krieges waren marodierende Soldaten auf Sizilien. Die Stadt Messena rief sowohl Kathargo, als auch Rom zu Hilfe. Obwohl sich Hieron von Syrakus zuerst mit den Karthargern verbuendete, wechselte er rasch die Seiten, als die Roemer das gemeinsame Heer bei Messena schlugen. Kriegsschauplatz blieb Sizilien, vor allem aber das Mittelmeer um Sizilien herum. In einem sehr wechslhaftigen Krieg konnten sich die Roemer vor allem dadurch durchsetzen, dass sie ein gestrandetes karthargisches Schiff nachbauten und es mit einer durch einen Sporn bewehrten Enterbruecke ausruesteten, womit sie den „Landkrieg“ mit ihren Legionen auch auf See moeglich zu machten. So siegten sie gegen die ueberraschten Kartharger, die bisher als uneingeschraenkte Seemacht gegolten hatten und „Beherrscher der Meere“ genannt wurden, bei Mylae (260) und am Vorgebirge des Economus (256). Nun trugen die Roemer den Krieg nach Libyien und landeten in Afrika. 255 unterlagen sie jedoch dem karthargischen Heer, welches von dem Spartaner Xanthippos gefuehrt wurde. Die Reste der fliehenden Roemer gingen in einem Sturm unter. Eine neuerbaute Flotte siegte ueber die Kartharger 250 bei Panormus, unterlag aber kurze Zeit spaeter bei Drepanum. Auf Sizilien waren die Roemer recht erfolgreich gewesen, bis die Kartharger den Vater Hannibals als General Siziliens bestellten.

Hamilkar Barkas („Barkas“ war ein Ehrenname und bedeutete Blitz) aus dem Clan der Barkiden war ein ausgezeichneter Krieger und Heerfuehrer. Er und seine Familie standen in Opposition zu der in Karthargo ansonsten ueblichen „Geldsackpolitik“ und hatten ihren Aufstieg nicht nur ihrem Vermoegen zu verdanken, sondern auch ihren militaerischen Meriten. Groesster Gegner in Karthargos Senat (ein aehnliches Gremium wie in Rom. Bewerbungen fuer einen Senatorensitz hingen nicht von der Qualifikation, sondern vom Besitz ab. In Karthargo bestand eine stark oligarchische Regierungsform.) war ein Mann namens Hanno, der sich den Beinamen „der Grosse“ selbst gab. Dieser demonstrierte, wie kein anderer, die Idiotie der karthargischen Aussenpolitik, orientiert an wirtschaftlichen Gewinnen und behindert durch persoenliche Ressentiments. Obwohl Hamilkar einen erfolgreichen Kleinkrieg gegen die Roemer in Sizilien fuehren konnte, erhielt er keinerlei kostspielige Truppenunterstuetzung, die er fuer entscheidende Fortschritte benoetigt haette.
Ganz im Gegensatz zu der karthargischen Geldgierpolitik finanzierte Rom derweil einen Flottenneubau aus Privatmitteln und trug 241 bei den Aegatischen Inseln einen vernichtenden Sieg gegen die Kartharger davon. Karthargos hundertkoepfiger Senat hatte genug und bat um Frieden. Hamilkar wurde trotz seiner Erfolge abberufen und der karthargische Senat unterzeichnete einen ueberharten Friedensvertrag, damit man endlich wieder gewinnbringenden Handel treiben konnte. Das Ringen um Sizilien aber, war verloren. Karthargo musste Sizilien und alle Inseln zwischen Sizilien und dem afrikanischen Festland abtreten.Sizilien wurde erste roemische Provinz. Karthargischen Schiffen wurde es verboten, italienische Kuestengewaesser zu befahren. Ausserdem durfte Karthargo keine Verbuendeten Roms, beispielsweise Syrakus, bekriegen. Letztlich musste Karthargo innerhalb eines Jahrzehnts die grosse Menge von 3200 Talenten in Silber als Reperationszahlung an Rom aushaendigen.

Der Barkide Hamilkar zog sich mit seinen Soehnen, die er stolz „Loewenbrut“ nannte, auf sein Landgut zurueck, sollte aber bald wieder gebraucht werden. Hamilkar hatte naemlich, um seine Soldaten auf Sizilien zu motivieren, deren Gehalt erhoeht. Als diese nun grueppchenweise nach Karthargo zurueckkehrten, zoegerte der geizige Senat die Soldzahlungen hinaus. Dazu litt man schwer unter den hohen Reperationsforderungen Roms und wollte das Silber nicht an die „Kriegsverlierer“ verschwenden. Die vor den Mauern Karthargos kampierenden Soeldner wurden immer unruihger und als absehbar wurde, dass Karthargo den ausstehenden Sold nicht auszahlen wollte, brach ein offener Soeldneraufstand aus. Das schwer befestigte Karthargo war sicher, aber das Hinterland wurde auf grausame Art und Weise verwuestet. Hanno, „der Grosse“, zog den Rebellen entgegen, wurde aber von ihnen verjagt. Nun entsann man sich des Barkiden und setzte ihn als Strategen ein, da der Aufstand inzwischen auch auf die libyschen Voelker uebergriff, dazu meuterten auch die Soeldner auf Sardinien und Korsika. Als die Situation immer bedrohlicher wurde, kam das Eingreifen Hamilkars gerade recht. Er loeste die verfahrene Situation und vernichtete die aufstaendischen Soeldner, von denen die meisten unter ihm selbst in Sizilien gedient hatten, um seine Vaterstadt zu retten. Rom war, waehrend der grosse Gegner durch die Aufstaende im eigenen Land gebunden war, aber keineswegs muessig; als die Kartharger eine Flotte ruesteten, um die Rebellen auf Sardinien zur Raeson zu bringen, wertete man dies als Bruch des Friedensabkommens und erklaerte Karthargo den Krieg. Die schlecht gefuehrte karthargische Flotte sank in einem Sturm und Rom besetzte Sardinien und Korsika. In einem erneuten Friedensvertrag 238 erreichten die Roemer die Abtretung der beiden Mittelmeerinseln und die Zahlung von weiteren 1200 Silbertalenten.

Hamilkar aber zog mit seinen Soehnen nach Spanien, um es fuer Karthargo in Besitz zu nehmen. Karthargo hatte diese neuen Kolonien auch bitter noetig, da man nach dem Verlust der Mittelmeerbesitzungen und unter dem Druck der roemischen Reperationsforderungen zu verarmen drohte. Hamilkar selbst warf man in Karthargo allerdings immer wieder vor, seiner Vaterstadt untreu zu sein, nur nach seinem eigenen Vorteil zu suchen und sich selbst ein spanisches Koenigreich errichten zu wollen. Diese Volksverhetzung Hannos war aber sicherlich nicht der Wahrheit entsprechend; vielmehr laesst keine Aktion Hamilkars darauf schliessen, dass er etwas aehnliches plante. Er liess Karthargo sogar den Loewenanteil der aus Iberien erwirtschafteten Gewinne zugute kommen. Die Fruechte des Feldzuges, den er zum Teil selbst finanzierte, wurden darauf verwandt, die Reperationsforderungen zu erfuellen. Im Gegensatz zu Hanno, der nur durch seinen Hass auf die Barkiden motiviert gewesen zu sein scheint, hatte Hamilkar nur das Wohl seines Vaterlandes im Auge und stand loyal zu Karthargo und seinem Senat. Diese Treue gab er ebenso wie seinen Hass auf Rom an seine Soehne weiter, die der Stadt, aus der sie als kleine Kinder fortzogen, und die zwei der drei Brueder der Loewenbrut nur auf kurzzeitigen Besuchen wiedersahen, immer die Treue hielten, auch als diese ihnen unsinnige Befehle zukommen liess, oder ihnen Unterstuetzung verweigerte. Hannibal sollte schliesslich schmaehlich verraten, und aus Karthargo verjagt werden.

 


Christian Ilaender, April/Mai 1996.


Hannibal


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